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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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hübsch fand, wenn nur das ganze verrückte Zeug nicht gewesen wäre. Er kannte keine Mädchen in ihrem Alter und eigentlich auch in keinem anderen Alter, und es gefiel ihm, wie sie mit ihrem Bruder wartete. Sie hielt seine Hand und ließ sie los, wenn der Bus kam, damit die anderen Kinder es nicht sahen. Mit Danny hatte sie nie ein Wort gesprochen; er wusste nicht mal, wie sie hieß.
    Er hielt vor der Einfahrt und zog den Hebel für die Tür. » Hey«, sagte er, denn etwas anderes fiel ihm nicht ein. » Hey, guten Morgen.«
    Er fand, jetzt waren sie an der Reihe, etwas zu sagen, aber sie taten es nicht. Danny ließ den Blick kurz über ihre Gesichter wandern, konnte sie jedoch nicht deuten. Keiner der Eisenbahnzüge bei Thomas sah je so aus. Die Züge bei Thomas machten fröhliche oder traurige oder wütende Gesichter, aber das hier war etwas anderes. Es war wie der leere Bildschirm des Fernsehers, wenn der Kabelanschluss nicht funktionierte. Die Augen des Mädchens waren geschwollen und rot, und ihr Haar sah irgendwie zerdrückt aus. Timothys Nase lief, und er wischte sie immer wieder mit dem Handrücken ab. Die Sachen, die sie anhatten, waren zerknautscht und schmutzig.
    » Wir haben dich hupen gehört«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme klang heiser und zittrig, als hätte sie seit einer Weile nicht gesprochen. » Wir hatten uns im Keller versteckt. Wir haben seit zwei Tagen nichts mehr zu essen.«
    Danny zuckte die Achseln. » Ich hatte noch Lucky Charms. Aber nur mit Wasser. So schmecken sie aber nicht so gut.«
    » Ist sonst noch jemand da?«, fragte das Mädchen.
    » Wie, da?«
    » Am Leben.«
    Danny wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die Frage war zu groß. Vielleicht war niemand mehr da. Er hatte viele Tote gesehen . Al lerdings wollte er nicht Nein sagen– nicht, wenn Timothy dabei war.
    Er warf einen Blick auf den Jungen, der bis jetzt noch nicht den Mund aufgemacht hatte, sondern sich immer nur nervös mit dem Handrücken die Nase wischte. » Hey, Timbo. Hast du Heuschnupfen? Krieg ich manchmal auch.«
    » Unsere Eltern sind in Telluride«, stellte der Junge fest und schaute auf seine Turnschuhe. » Consuela war anfangs bei uns. Aber jetzt sind wir ganz allein.«
    Danny wusste nicht, wer Consuela war. Es war schwer, wenn Leute deine Frage nicht beantworteten und stattdessen von etwas ganz anderem zu reden anfingen. Etwas, woran du gar nicht gedacht hattest.
    » Okay«, sagte Danny.
    » Sie ist im Garten.«
    » Wie könnt ihr allein sein, wenn sie im Garten ist?«
    Der Junge machte große Augen. » Weil sie tot ist.«
    Zwei Sekunden lang sagte niemand etwas. Danny fragte sich, warum sie noch nicht eingestiegen waren. Ob er sie vielleicht fragen musste.
    » Alle sollen nach Mile High, ins Stadion«, sagte das Mädchen. » Das haben wir im Radio gehört.«
    » Was ist in Mile High?«
    » Die Army. Sie haben gesagt, da ist es sicher.«
    Nach dem, was Danny gesehen hatte, war von der Army nicht viel übrig geblieben. Aber das Mile High Stadium wäre zumindest ein Ziel, das er anfahren konnte. Daran hatte er nämlich noch gar nicht gedacht. Wo wollte er eigentlich hin?
    » Ich heiße April«, sagte das Mädchen.
    Der Name passte zu ihr. Es war komisch. Bei manchen Menschen war das einfach so.
    » Ich bin Danny«, sagte er.
    » Ich weiß«, sagte April. » Bitte, Danny? Bring uns in Dreiteufelsnamen weg von hier.«

7
    Die Farbe war nicht gut, entschied Lila. Nein, sie war überhaupt nicht gut.
    Der Ton hieß » Buttercreme«. Die Probe aus dem Geschäft hatte einen ganz zarten, hellen Gelbton gehabt wie altes Leinen. Aber als Lila jetzt zurücktrat, um mit der tropfenden Farbrolle in der Hand ihr Werk zu begutachten– wirklich, sie machte eine unglaubliche Sauerei; wieso konnte David so etwas nicht übernehmen?–, sah es eher aus wie… tja, wie was? Wie eine Zitrone. Ein leuchtendes Zitronengelb war das. Für eine Küche wäre es vielleicht okay gewesen, für eine helle, sonnige Küche mit einem Fenster zum Garten. Aber nicht für ein Kinderzimmer. Mein Gott, dachte sie, bei so einer Farbe kann das Baby ja überhaupt nicht einschlafen.
    Wie deprimierend. Die ganze harte Arbeit umsonst. Die Leiter aus dem Keller die Treppe heraufgeschleppt, die Abdeckplane ausgebreitet, auf Händen und Knien die Fußleisten abgeklebt– nur um jetzt festzustellen, dass sie wieder in den Laden zurückgehen und noch einmal von vorn anfangen musste. Sie hatte mit dem Zimmer bis zum Mittagessen fertig sein wollen,

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