Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
sie wissen musste.
» Du solltest jetzt gehen«, sagte sie.
Amy schwieg immer noch. Sie sah unsicher aus. Und schließlich sagte sie:
» Es gibt etwas, das ich dir nicht erzählt habe, Lish.«
Grauer Tag folgte auf grauen Tag. Das riesige Binnenreich des Wetters auf diesem Kontinent. Würde es schneien? Würde je die Sonne wieder scheinen? Würde der Wind ihnen in den Rücken oder in die erfrorenen Gesichter wehen? Sie gingen und gingen, gebeugt unter der Last ihrer Rucksäcke. Es gab keine Wegweiser, keine Landmarken. Straßen und Städte waren fort, verschwunden wie gesunkene Schiffe unter den Wellen der verschneiten Prärie. Tifty gestand, dass er nicht mehr genau wusste, wo sie waren. Inmitten von Iowa, östlich von Des Moines, aber genauer…? Er bat nicht um Entschuldigung; die Situation war, wie sie war. Warum sind wir eigentlich nicht im Sommer losgezogen?, meinte er nur.
Sie hatten fast nichts mehr zu essen. Sie hatten ihre Rationen halbiert, aber die Hälfte von nichts wäre nichts. Sie kauerten zusammen in einem verfallenen Farmhaus, und Lore verteilte die kümmerlichen Scheiben auf der Klinge ihres Messers. Peter legte sein Stück auf die Zunge, um länger etwas davon zu haben. Langsam schmolz das harte Fett in der Wärme seines Mundes.
Sie zogen weiter.
Und dann, spät am Nachmittag des achtundzwanzigsten Tages, erschien ihnen eine Vision: Langsam löste sich ein hohes Schild aus dem farblosen Himmel und wiegte sich im Wind. Sie gingen darauf zu, und eine Gruppe von Gebäuden tauchte vor ihnen auf. Welche Stadt war das? Unwichtig. Das Bedürfnis nach einer Unterkunft war stärker als jede andere Sorge. Sie durchquerten das äußere Gewerbegebiet mit seinen ausgehöhlten Supermärkten und Kettenläden, deren Flachdächer unter dem Gewicht des Winterschnees längst eingestürzt waren, und erreichten die alte Stadt. Die üblichen Trümmer, der Schutt– aber in der Stadtmitte fanden sie zwei Blocks mit Backsteingebäuden, die intakt aussahen.
» Ich glaube nicht, dass wir da drin was zu essen finden«, sagte Michael.
Sie standen vor einer Ladenfassade, deren Schaufenster erstaunlicherweise nicht zerbrochen waren. Auf den Scheiben stand in verblichenen Lettern: » Fancy’s Café«.
» Sieht aus, als hätten sie schon vor einer Weile geschlossen«, sagte Hollis.
Sie brachen die Tür auf. Ein langer, schmaler Raum: eine Reihe Tische und mit rissigem Vinyl bezogene Bänke und gegenüber eine Theke mit Hockern. Überall lag Staub. Der Boden war von verschimmeltem Papier übersät, aber alles war auffallend unberührt. Von Zeit zu Zeit fand man so einen Ort, ein Museum der Vergangenheit, an dem der Lauf der Jahrzehnte irgendwie vorbeigegangen war– gespenstischer als eine Ruine.
Michael nahm eine Speisekarte von dem Stapel auf der Theke und klappte sie auf. » Was ist Hackbraten? Braten kenne ich, aber wieso Hack?«
» Mein Gott, Michael«, sagte Lore. Sie zitterte vor Kälte und hatte blaue Lippen. » Mach es nicht noch schlimmer.«
Hollis und Peter erkundeten die hinteren Räume. Peter hatte die absurde Hoffnung gehabt, sie könnten etwas zu essen finden, vielleicht eine Speisekammer mit Konserven, deren Nähte nicht geplatzt waren, aber alle Regale waren leer. Hintertür und Fenster waren mit Sperrholz vernagelt. Hammer und Nägel lagen noch auf dem Boden.
» Ohne Essen werden wir nicht mehr sehr viel weiter kommen«, sagte Hollis ernst.
» Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
Sie kehrten nach vorn ins Café zurück, wo die andern sich auf dem Boden in ihre Decken rollten. Es wurde dunkel, und es war eiskalt in dem Raum, aber zumindest wehte hier kein Wind.
» Ich sehe mich ein bisschen um«, sagte Peter. » Vielleicht kann ich herausfinden, wo wir sind.«
Er stapfte quer über die Straße, ging bis zum Ende des Blocks und zurück und spähte in die Läden. Er rüttelte an ein paar Türen, aber alles war verschlossen. Na, sie könnten am Morgen noch einmal losziehen und sie aufbrechen, um zu sehen, was dahinter war.
Am Ende des nächsten Blocks drückte er noch einmal eine Klinke herunter– nur noch pro forma und ohne hinzuschauen– und war überrascht, als die Tür aufging. Er trat ein, schob seine Pistole in den Holster und nahm ein Streichholz aus der Schachtel in der Brusttasche seines Parkas. Er riss es an und wölbte die Hand um die Flamme, um sie vor dem Luftzug zu schützen, der durch die offene Tür hereinwehte.
Mich trifft der Schlag.
Peter erkannte ein Vorratslager, wenn
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