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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Getriebe der menschlichen Psychologie nötig hatte. Die Staatsverehrung war Peitsche ohne Zuckerbrot; im besten Fall brachte sie eine blutleere Autoritätshörigkeit hervor. Aber wenn man den Menschen Hoffnung gab, erreichte man viel mehr. Dann taten sie fast alles. Hoffnung nicht nur im Alltag– auf Nahrung und Kleidung, auf weniger Schmerzen, gute Vorortschulen, niedrige Anzahlungen mit günstiger Folgefinanzierung. Was die Menschen brauchten, war Hoffnung jenseits der sichtbaren Welt, der Welt des Körpers und der täglichen Strapazen, der endlosen, dumpfen Parade von alltäglichen Verpflichtungen. Die Hoffnung darauf, dass alles nicht so war, wie es den Anschein hatte.
    Und da war er, der Name. Wie einfach, wie elegant. Kein Heiligtum: ein Tempel. Der Tempel des Immerwährenden Lebens. Und er, Horace Guilder, wäre der Hohepriester.
    So war es nun doch kein nutzloser Tag gewesen. Komisch, wie sich manches einfach so ergeben konnte, dachte er lächelnd. Das erste Mal seit Wochen, dass er das getan hatte. Scheiß auf Hoppel mit seinen Liedchen. Und wenn er schon mal dabei war: Scheiß auf Wilkes, diesen Undankbaren. Guilder hatte alles in der Hand.
    Erst die Injektion, dann die Benommenheit. Sara lag auf einem fahrbaren Bett und sah zu, wie die Decke vorüberglitt.
    » Allez… hopp!«
    Jetzt war sie woanders. Es war halbdunkel im Zimmer. Hände hoben sie auf einen Tisch, schnallten Gurte um Arme, Beine und Stirn. Unter ihr war kalter Stahl. Irgendwann hatte man ihr das Gewand abgenommen und durch ein Baumwollhemd ersetzt. Ihre Gedanken bewegten sich mit animalischer Schwerfälligkeit durch diese Tatsachen und nahmen sie emotionslos zur Kenntnis. Es war schwer, sich für irgendetwas zu interessieren. Da war Doktor Verlyn, der auf seine großväterliche Art durch seine kleinen Brillengläser auf sie herabschaute. Seine Augenbrauen sahen außergewöhnlich aus. Er hielt eine silberne Zange in der Hand; ein mit brauner Flüssigkeit getränkter Wattetupfer klemmte dazwischen. Da er ein Doktor war, nahm sie an, tat er etwas Medizinisches mit ihr.
    » Das fühlt sich jetzt vielleicht ein bisschen kalt an.«
    Ja, kalt. Doktor Verlyn tupfte ihre Arme und Beine ab, und gleichzeitig positionierte jemand einen Plastikschlauch unter ihrer Nase.
    » Katheter.«
    Das war jetzt nicht mehr so nett. Nein, das war überhaupt nicht schön. Ein Stöhnen kam aus ihrer Kehle. Andere Dinge passierten, auf verschiedene Weise wurde gebohrt und in sie eingedrungen. Fremdartige Gegenstände schoben sich unter ihre Haut und riefen ein eigentümliches Gefühl hervor– an ihren Unterarmen und an den Innenseiten ihrer Schenkel. Sie hörte einen Pfeifton, das Zischen von Gas, und ein seltsamer Geruch stieg ihr in die Nase, auffallend süß. Diäthyläther. Er wurde in der Biodiesel-Fabrik hergestellt, aber Sara hatte nie gesehen, wie. Sie erinnerte sich nur an Tanks, auf denen in roter Schablonenschrift das Wort ENTFLAMMBAR stand, und an das Klappern, wenn die klobigen Behälter auf Fahrgestellen zu einem wartenden Lastwagen gerollt wurden.
    » Einfach atmen, bitte.«
    Was für eine merkwürdige Aufforderung! Wie sollte sie denn das Atmen vergessen?
    » So ist es gut.«
    Auf einer unglaublich weichen Wolke schwebte sie in die Höhe.

61
    Zwei Tage waren vergangen, seit sie Kontakt mit den Rebellen gefunden hatten. Anfangs hatte Nina ihnen nicht glauben wollen, aber das war zu erwarten gewesen. Die Geschichte war zu fantastisch, die historischen Zusammenhänge zu komplex. Alicia hatte schließlich eine Idee gehabt, wie sie ihre Behauptungen beweisen konnten. Sie hatte den Radiokompass aus ihrem Gepäck geholt, die Frau auf die Anhöhe geführt und das Gerät auf die Kuppel gerichtet. Greer hatte das Tal im Auge behalten. Alicia hatte befürchtet, auf diese Entfernung vielleicht kein Signal zu empfangen. Was würden sie dann tun, um die Frau zu überzeugen? Aber da war es, satt und klar, ein kontinuierlicher Puls. Alicia war erleichtert, doch zugleich verwirrt: Das Signal war sogar noch stärker geworden. Amy schwieg einen Moment und sagte dann: Wir müssen uns beeilen. Was du da hörst, bedeutet, dass die Zwölf bereits da sind. Sie zog das Messer aus ihrem Gürtel und gab es Nina, und dann forderte sie Alicia und Greer auf, ihre Waffen ebenfalls abzugeben. Wir ergeben uns dir, sagte sie. Der Rest liegt bei euch.
    Der Truck kam mit zwei bewaffneten Männern. Alicia und die anderen erwarteten ihn mit erhobenen Armen. Man fesselte ihnen die Hände

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