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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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sie dann auf die Beine und schob sein Gesicht so nah an ihres, dass ihre Nasenspitzen sich praktisch berührten.
    » Du hast keine Ahnung, womit du es gleich zu tun haben wirst.«
    » Tatsächlich könnte man sagen, dass wir uns schon sehr lange kennen.«
    Er hatte keine Ahnung, was er mit dieser sonderbaren Behauptung anfangen sollte, aber das kümmerte ihn nicht. Er winkte den Wärtern, sie wegzubringen. Die Frau leistete keinen Widerstand, als sie sie zu dem Gerüst brachten und auf die Knie zwangen. Sie hatte Schlamm im Gesicht, auf dem Kittel, in den Haaren. Unter den gleißenden Lichtern sah sie mager, fast puppenhaft aus, und doch sah Guilder immer noch den Trotz in ihrem Gesicht, die absolute Weigerung, sich ducken zu lassen. Hoffentlich würden die Virals sich mit ihr Zeit lassen, sie vielleicht ein bisschen durch die Gegend werfen. Die Wärter schlossen ihre Fesseln auf und befestigten ihre Handgelenke dann an den Ketten, die von den Trägern des Gerüsts herabhingen.
    Dann fingen sie an, sie mit einer Winde hochzuziehen.
    Je höher sie stieg, desto lauter brüllte die Menge. War es Protest? Vorfreude? Der pure emotionale Kitzel beim Anblick eines Menschen, der zerrissen wurde? Sie hassten ihn, das war Guilder klar, aber sie waren jetzt Teil des Ganzen; ihre dunkle Energie hatte sich mit der transformativen Macht dieses Abends zusammengeschlossen.
    Die Frau blieb hoch oben mit ausgestreckten Armen in der Schwebe und schwang hin und her.
    » Letzte Worte?«
    Sie überlegte kurz. » Leb wohl?«
    Guilder lachte. » Das ist die richtige Einstellung.«
    » Ich meine es andersherum.«
    Guilder hatte genug gehört. Er wandte sich dem Heck des Sattelschleppers zu. Zwei Kols in schweren Schutzanzügen waren an der Tür in Position gegangen. Suresh beobachtete ihn eindringlich von der Seitenlinie aus. Guilder sah seinen Blick und nickte.
    Hey, Lila, du wahnhafte Gestrige, jetzt sieh dir das an.
    Und plötzlich war alles still. Mit einem kolossalen Erstarren jeder Bewegung versank das Stadion im Dunkeln.
    Blaues Licht strahlte auf.
    Der Augenblick war gekommen. Greer und Lore brachen aus ihrem Versteck hervor und stürmten die Treppe hinauf. Ein einzelner Kol stand Wache vor der Steuerzentrale. Greer war zuerst bei ihm.
    » Fuck, was soll das?« Der Mann sah die Messer. » Moment«, sagte er.
    Greer packte ihn bei den Ohren– sie standen in praktischer Übergröße wie zwei Griffe seitwärts von seinem Kopf ab– und schmetterte ihm seine Stirn ins Gesicht. Der Kol ging zu Boden wie ein gefällter Baum.
    Sie brachen durch die Tür. Auch drinnen erwartete sie nur einer, ein Rotauge. Er saß mit klobigem Kopfhörer und einem Mikrofon vor einer Tafel mit Lampen und Schaltern. Durch eine Glaswand schaute man hinunter auf das in blaues Licht getauchte Spielfeld. Der Kopfhörer war ein Vorteil; der Mann hatte sie nicht gehört. Nach stillschweigendem Einverständnis zwischen Greer und Lore war jetzt sie an der Reihe.
    Das Rotauge hob den Kopf, als sie herankamen, und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. » Hey, ihr dürft hier nicht sein.«
    » Stimmt«, sagte Lore. Sie trat hinter ihn, legte die linke Hand auf seine Stirn und zog das Messer quer durch seine Kehle, als wäre sie aus Papier.
    Die Tür des Containers schwang auf.
    Prachtvoll kamen sie hervor wie Könige. Ihre Bewegungen waren majestätisch, bedächtig; sie zeigten keine Hast, nur die reine Selbstgewissheit ihrer Art. Niemand konnte sich darin täuschen, was sie waren. Sie ragten turmhoch auf. Sie erfüllten den Raum mit ihrer mächtigen Größe und Spannweite. Sie hatten sich vom Blut der Generationen genährt und sich so zu Kolossen aufgebläht. Bei ihrem ehrfurchterweckenden Anblick hielt die Menge geschlossen den Atem an. Schreie würden folgen, daran zweifelte Guilder nicht, aber jetzt, im Augenblick des Erscheinens der Zwölf, herrschte eine tiefe, erwartungsvolle Stille. Die mächtigen Wesen traten in einem herrlichen Schauspiel hervor, mit aufrechtem Rücken und Klauen, die ungeheure Werkzeuge des Schmerzes waren. Ihre Erscheinung war riesenhaft. Sie waren fleischgewordene Legenden, die mit ausgreifendem Schritt über die Erde zogen. Die Wärter rannten zum Spielfeldrand, um noch einen Tag länger zu leben, aber Guilder kümmerte das nicht. Sein Kopf war erfüllt von diesem Glanz.
    Meine Brüder, dachte Guilder , ich biete euch dieses Zeichen, diesen Vorgeschmack. Diesen zarten Bissen, diesen Anfang. Meine Brüder, kommt heran, und zusammen

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