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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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überschwänglicher Bangigkeit, und endlich ging die Tür auf. Shawna trug nicht das Kleid, sondern einen Seidenmantel mit einem Gürtel um die Taille. Ihr Haar war zerzaust, ihr Make-up verschmiert. Vielleicht hatte er sie geweckt.
    » Horace, was willst du hier?«
    » Entschuldige«, sagte er, plötzlich atemlos. » Ich weiß, ich hätte anrufen sollen.«
    » Um ehrlich zu sein, es ist gerade nicht besonders günstig.«
    » Es dauert nur eine Minute. Bitte, darf ich reinkommen?«
    Sie musterte ihn skeptisch, und dann ließ sie sich erweichen. » Na schön. Es muss aber schnell gehen.«
    Sie trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Etwas an der Wohnung erschien verändert, aber Guilder hätte nicht genau sagen können, was es war. Sie wirkte schmutzig, und die Luft war unangenehm dick.
    » Was sehe ich denn da?« Sie beäugte das silberne Päckchen. » Horace, das war doch nicht nötig.«
    Guilder hielt es ihr entgegen. » Das ist für dich.«
    Ein warmes Licht tanzte in ihren Augen. Sie packte das Etui aus und nahm das Armband heraus.
    » Wie aufmerksam. Das ist aber hübsch.«
    » Es ist ein Erbstück. Hat meiner Mutter gehört.«
    » Dann ist es erst recht etwas Besonderes.« Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange. » Gib mir einen Augenblick Zeit, damit ich mich frischmachen kann. Ich bin gleich bei dir, Baby.«
    Eine titanische Woge der Liebe brach über ihn hinweg. Nur mit Mühe brachte er es fertig, ihr nicht um den Hals zu fallen und seinen Mund auf ihren zu pressen. » Ich will dich lieben. Richtig lieben.«
    Sie sah auf die Uhr. » Ja, klar. Wenn du willst. Ich habe aber nicht die volle Stunde Zeit.«
    Guilder war schon dabei, sich auszuziehen. Wie verrückt nestelte er an seiner Gürtelschnalle und streifte die Schuhe von den Füßen. Aber irgendetwas stimmte nicht. Er spürte, dass sie zögerte.
    » Hast du da nicht was vergessen?«, fragte sie.
    Das Geld. Das war es, was sie haben wollte. Wie konnte sie in einem solchen Augenblick an Geld denken? Er wollte ihr sagen, dass das, was zwischen ihnen sei, nicht nach Dollar und Cent berechnet werden könne, oder etwas in dieser Richtung, aber was er hervorbrachte, war nur: » Ich hab’s nicht bei mir.«
    Sie zog die Stirn kraus. » Honey, so läuft das aber nicht. Das weißt du.«
    Inzwischen war Guilder jedoch so sehr von Sinnen, dass er kaum noch etwas von alldem verarbeiten konnte. Außerdem stand er in Boxershorts und Unterhemd vor ihr.
    » Ist alles in Ordnung? Du siehst nicht gut aus.«
    » Ich liebe dich«, sagte er.
    Sie lächelte blasiert. » Das ist lieb.«
    » Ich habe gesagt, ich liebe dich.«
    » Okay, das kann ich für dich machen. Kein Problem. Leg das Geld auf die Kommode, und ich sage alles, was du willst.«
    » Verdammt, ich habe kein Geld. Ich hab dir das Armband geschenkt.«
    Plötzlich war keine Spur von Wärme oder Freundschaft mehr in ihrem Blick. » Horace, hier wird in bar bezahlt, und das weißt du. Es gefällt mir nicht, wie du redest.«
    » Bitte lass mich dich lieben.« Guilders Pulsschlag dröhnte in seinen Ohren. » Du kannst das Armband verkaufen, wenn du willst. Es ist eine Menge Geld wert.«
    » Baby, das glaube ich nicht.« Sie hielt ihm das Armband mit unverhohlener Verachtung entgegen. » Ich sag’s dir ungern, aber das ist Glas. Keine Ahnung, wer es dir verkauft hat, du solltest dir dein Geld lieber wiedergeben lassen. Und jetzt sei lieb und beeil dich.«
    Er musste ihr klarmachen, was er fühlte. In seiner Verzweiflung wollte er nach ihr greifen, aber seine Füße waren noch in die Hose verheddert. Shawna stieß einen Schrei aus, und ehe Guilder sichs versah, lag er, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden. Als er aufschaute, sah er, dass eine Pistole auf seinen Kopf zielte.
    » Mach bloß, dass du rauskommst, verdammt.«
    » Bitte«, stöhnte er mit tränenerstickter Stimme. » Du hast doch gesagt, du willst die Einzige für mich sein.«
    » Ich hab ’ne Menge gesagt. Jetzt mach, dass du rauskommst mit deinem Scheißarmband, verdammt.«
    Schwerfällig kam er auf die Beine. Noch nie hatte er eine solche Demütigung erlebt. Und doch– was er hauptsächlich empfand, war Liebe. Eine hilflose, melancholische Liebe, die ihn zu verschlingen drohte.
    » Ich muss sterben.«
    » Wir müssen alle sterben, Baby.« Sie wedelte mit der Pistole in Richtung Tür. » Tu, was ich sage, bevor ich dir die Eier wegschieße.«
    Er wusste, er würde ihr nie wieder entgegentreten können. Wie hatte er so dumm sein können? Er kehrte zu

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