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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Ohren gestrichen; eine Sonnenbrille saß oben auf ihrem Kopf und hielt es zusammen. Schwanger war sie außerdem– nicht so, als müsse das Baby jeden Moment zur Welt kommen, aber doch schwanger genug. Grey beobachtete, wie sie ein kleines Farbquadrat aus einem der Fächer nahm– ein paar hielt sie schon in der Hand– und mit nachdenklichem Stirnrunzeln hin und her drehte, bevor sie es ins Fach zurückschob.
    Die Frau war so unerwartet aufgetaucht, dass Grey sie eine Zeitlang nur mit sprachloser Verblüffung anstarren konnte. Was tat sie da? Ganze dreißig Sekunden vergingen. Die Frau nahm nicht die geringste Notiz von seiner Anwesenheit, so sehr war sie von ihrem geheimnisvollen Anliegen in Anspruch genommen. Grey wollte sie nicht erschrecken. Behutsam legte er die Pistole in ein offenes Regal und ging einen Schritt weiter. Was sollte er sagen? Auf Menschen zuzugehen war noch nie sein Ding gewesen. Auch nicht, sich mit ihnen zu unterhalten. Er entschied sich für ein schlichtes Räuspern.
    Die Frau warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. » Na, das wurde auch Zeit«, sagte sie. » Ich stehe hier seit zwanzig Minuten herum.«
    » Lady, was machen Sie da?«
    Sie wandte sich von dem Display ab und sah ihn an. » Ist das hier die Farbenabteilung oder nicht?« Sie hielt ihm ein paar Farbmuster entgegen, aufgefächert wie ein Kartenspiel. » Der Ton ›Gartentor‹ könnte passen. Aber ich hab Angst, er könnte zu dunkel sein.«
    Grey war völlig verdattert. Er sollte ihr helfen, eine Farbe auszusuchen?
    » Ich weiß schon, wahrscheinlich fragt nie jemand nach Ihrer Meinung«, fuhr sie munter fort– ein bisschen zu munter, fand Grey. » Machen Sie mir einfach einen Eimer davon fertig und nehmen Sie mein Geld– das sagen bestimmt alle. Aber mir liegt etwas am Urteil eines Fachmanns. Also, was meinen Sie? Als Farbenexperte.«
    Grey stand jetzt dicht vor ihr. Sie hatte ein fein geschnittenes, blasses Gesicht mit zarten Krähenfüßen an den Augenwinkeln. » Ich glaube, Sie bringen da was durcheinander. Ich arbeite nicht hier.«
    Sie schaute ihn an, und ihre Augen wurden schmal. » Nicht?«
    » Lady, hier arbeitet niemand.«
    Verwirrung trat in ihr Gesicht, verschwand aber gleich wieder, und jetzt sah sie verärgert aus. » Oh, das brauchen Sie mir kaum zu sagen.« Sie wischte seine Worte beiseite. » In diesem Laden ein bisschen Hilfe zu bekommen ist wahrlich schwer. Wie gesagt«, fuhr sie gleich fort, » ich möchte eigentlich nur wissen, welche von denen hier am besten für ein Kinderzimmer geeignet ist.« Sie lächelte verschämt. » Wahrscheinlich lässt es sich nicht mehr verhehlen, dass ich schwanger bin.«
    Grey hatte im Laufe der Zeit ein paar abgedrehte Leute kennengelernt, aber diese Frau schoss den Vogel ab. » Lady, ich finde, Sie sollten nicht hier sein. Es ist nicht sicher hier.«
    Wieder verstrich ein Augenblick, bevor sie antwortete; es war, als verarbeite sie seine Worte und verdrehe im nächsten Moment ihren Sinn.
    » Also wirklich! Sie klingen genau wie David. Und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich langsam genug von diesen Sprüchen.« Sie seufzte tief. » Dann nehme ich eben ›Gartentor‹. Zehn Liter, in Seidenmatt, bitte. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich hab’s ein bisschen eilig.«
    Grey war völlig durcheinander. » Ich soll Ihnen Farbe verkaufen?«
    » Na, sind Sie hier der Geschäftsführer, oder sind Sie es nicht?«
    Geschäftsführer? Seit wann? Allmählich dämmerte ihm, dass die Frau ihm nichts vorspielte.
    » Lady, wissen Sie denn nicht, was hier los ist?«
    Sie hatte zwei Eimer aus dem Regal genommen und hielt sie hoch. » Ich sag Ihnen, was hier los ist: Ich kaufe Wandfarbe, und Sie werden sie für mich mischen, Mr.– ich glaube, ich hab Ihren Namen nicht mitbekommen.«
    Grey schluckte. Irgendetwas an dieser Frau machte ihn absolut hilflos; es war, als werde er von einem durchgehenden Pferd mitgeschleift. » Grey«, sagte er. » Lawrence Grey.«
    Sie streckte ihm die Eimer entgegen und zwang ihn, sie zu nehmen. Gott, sie ließ sich nicht davon abbringen. Wenn das noch viel länger dauerte, würde er seinen Keilriemen nie bekommen. » Also, Mr. Grey. Ich hätte gern zehn Liter ›Gartentor‹, bitte.«
    » Äh, ich weiß nicht, wie das geht.«
    » Aber natürlich.« Sie deutete zur Theke. » Schütten Sie es einfach in den Dingsda.«
    » Lady, das kann ich nicht.«
    » Wie, das können Sie nicht?«
    » Na, zunächst mal ist der Strom ausgefallen.«
    Dieser Hinweis

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