Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
sich unter seinem Hemd hervor zu einem Wagen mit medizinischen Apparaten, und eine Infusionskanüle steckte in seinem rechten Arm.
Jemand war im Zimmer.
Zwei Personen, genau gesagt; sie warteten am Fußende seines Bettes in ihren unförmigen Bio-Schutzanzügen, und sie trugen durchsichtige Plastikmasken. Hinter ihnen sah er eine schwere Stahltür, und oben an der Wand in der Ecke hing eine Überwachungskamera, die die Szenerie mit starrem Blick beobachtete.
» Mr. Grey, ich bin Horace Guilder«, sagte der Linke. Sein Ton klang seltsam vergnügt, fand Grey. » Das ist mein Kollege Dr. Nelson. Wie fühlen Sie sich?«
Grey bemühte sich nach besten Kräften, den Blick auf ihre Gesichter hinter den Sichtfenstern zu richten. Sie kamen ihm beide nicht bekannt vor. Der, der gesprochen hatte, war ein unauffälliger Mann im mittleren Alter mit großem Kopf, kantigem Kiefer und teigiger Haut. Der Zweite war erheblich jünger; er hatte schmale dunkle Augen und einen schütteren kleinen Van-Dyke-Bart. Er sah nicht aus wie die Ärzte, denen Grey bisher begegnet war.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schluckte. » Wo bin ich hier? Warum bin ich festgeschnallt?«
Der namens Guilder antwortete in beruhigendem Ton. » Das ist nur zu Ihrem eigenen Schutz, Mr. Grey. Bis wir herausgefunden haben, was Ihnen fehlt. Und wo Sie hier sind, das kann ich Ihnen leider noch nicht verraten. Es muss genügen, wenn ich sage, Sie sind hier unter Freunden.«
Grey erkannte, dass sie ihn sediert haben mussten; er konnte kaum einen Muskel rühren, und das lag nicht nur an den Gurten. Seine Glieder waren schwer wie Eisen, und seine Gedanken trieben mit einer trägen Ziellosigkeit durch sein Gehirn wie Guppys in einem Aquarium. Guilder hielt ihm einen Becher Wasser an die Lippen.
» Na los, trinken Sie.«
Grey drehte sich der Magen um. Schon der Geruch war widerlich wie der von einem übermäßig gechlorten Schwimmbecken. Gedanken kehrten zu ihm zurück, dunkle Gedanken: das Blut im Panzer, in das er gierig das Gesicht tauchte. War das wirklich passiert? Hatte er es geträumt? Aber kaum hatten diese Fragen in seinem Kopf Gestalt angenommen, erfüllte ein Tosen seinen Schädel und ein gewaltiger Hunger überkam ihn, so mächtig, dass sein ganzer Körper sich gegen die Gurte stemmte.
» Hey«, sagte Guilder, » immer mit der Ruhe.«
Noch mehr Bilder stiegen durch den Nebel zu ihm herauf. Der Panzer auf der Straße, die toten Soldaten und die Explosionen ringsherum; seine Hand, die durch das Fenster des Volvo krachte, und die Felder, die im Feuer zerbarsten; der Wagen, der durch den Mais segelte, das helle Licht des Hubschraubers und die Männer in ihren Raumanzügen, die Lila wegschleppten.
» Wo ist sie? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
Guilder warf Nelson einen Blick zu, und der runzelte die Stirn. Interessant, sagte sein Gesichtsausdruck.
» Sie brauchen sich keine Sorgen um sie zu machen, Mr. Grey. Wir kümmern uns um sie. Sie ist auch hier. Auf der anderen Seite des Korridors.«
» Tun Sie ihr ja nichts.« Mit geballten Fäusten zerrte er an den Gurten. » Wenn Sie ihr ein Haar krümmen, werde ich…«
» Was werden Sie dann tun, Mr. Grey?«
Er konnte nichts tun; die Gurte hielten ihn fest. Was immer sie ihm gegeben hatten, nahm ihm die Kräfte.
» Versuchen Sie, sich nicht aufzuregen, Mr. Grey. Ihrer Freundin geht es ausgezeichnet. Dem Baby ebenfalls. Uns ist nur nicht ganz klar, wie Sie beide zusammengefunden haben. Ich hatte gehofft, dass Sie uns da helfen können.«
» Was wollen Sie wissen?«
Hinter dem Sichtfenster hob sich ungläubig eine Augenbraue. » Zunächst mal sieht es so aus, als wären Sie beide die letzten Menschen, die lebend aus Colorado herausgekommen sind. Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass dieser Umstand für uns nicht ganz uninteressant ist. War sie im Chalet? Haben Sie sie da kennengelernt?«
Bei dem bloßen Wort krampfte sich in Greys Kopf alles panisch zusammen. » Im Chalet?«
» Ja, Mr. Grey. Im Chalet.«
Er schüttelte den Kopf. » Nein.«
» Wo dann?«
Er schluckte. » Im Baumarkt. Bei Home Depot.«
Einen kurzen Moment lang sagte Guilder gar nichts. » Wo war das?«, fragte er dann.
Grey versuchte seine Gedanken zu ordnen, aber sein Gehirn war wie vernebelt. » In Denver irgendwo. Ich weiß es nicht genau. Sie wollte, dass ich ihr das Kinderzimmer anstreiche.«
Guilder drehte sich rasch zu Nelson herum, und der zuckte die Achseln. » Liegt vielleicht am Fentanyl«, meinte er. »
Weitere Kostenlose Bücher