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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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aufgestellt, die als eine Art Tor dienten. Die Menge drängte dahinter heran und schob sich durch die Lücke wie durch einen Trichter. Wo fuhren sie hin?, fragten die Leute. Immer noch nach Chicago? Oder gab es ein neues Ziel? Unmittelbar vor ihnen in der Schlange war eine Familie mit zwei Kindern, einem Jungen und einem Mädchen, in schmutzigen Schlafanzügen. Ihre Füße waren dreckig, die Haare zerzaust; sie konnten nicht älter als fünf sein. Das Mädchen hielt eine nackte Barbie umklammert. Wieder grollte im Westen der Donner, begleitet von Blitzen über dem Horizont. Kittridge und April hielten Tim zwischen sich bei den Händen, damit er im Gedränge nicht verloren ging.
    Als sie an den Sperren vorbei waren, gingen sie mit schnellen Schritten auf Dannys Bus zu. Die Robinsons und Boy jr. stiegen als Erste ein, dann Wood und Delores, Jamal und Mrs. Bellamy. Pastor Don bildete die Nachhut hinter Kittridge, Tim und April.
    Ein geisterhaft weißer Blitz entzündete die Luft und ließ die Szenerie vor Kittridges Augen wie ein Stroboskop gefrieren. Eine halbe Sekunde später rollte ein langgezogener Donner über sie hinweg. Kittridge spürte das Dröhnen durch die Fußsohlen.
    Das war kein Donner. Das war Artillerie.
    Drei Düsenjäger schossen über sie hinweg, dann noch zwei. Plötzlich schrien alle durcheinander; das hohe, schrille Geräusch ungehemmter Panik baute sich von hinten auf und brandete über die Menge hinweg wie eine Welle. Kittridge drehte den Kopf nach Westen.
    Noch nie hatte er so viele Virals auf einmal gesehen. Von seinem Hochhaus aus hatte er manchmal drei Stück gesichtet– nie mehr, nie weniger–, und natürlich waren da die auf der Rampe in der Tiefgarage gewesen, vielleicht zwanzig, alles in allem. Aber das war nichts im Vergleich mit dem hier. Der Anblick ließ an eine Herde von Laufvögeln denken: Hunderte, die in gleichmäßiger Anordnung auf den Drahtzahn zugeschwärmt kamen. Schwarm, erinnerte Kittridge sich. Man hatte sie immer als Schwarm bezeichnet. Eine Sekunde lang empfand er so etwas wie Ehrfurcht: reines, atemberaubendes Staunen angesichts dieser Majestät.
    Sie würden über die Busse hinwegfegen wie ein Tsunami.
    Humvees rasten auf den Zaun im Westen zu. Staubwolken wirbelten wie Hahnenschwänze an ihren Hinterrädern auf. Plötzlich waren die Busse unbewacht, und die Menge stürmte auf sie los. Mit großer Wucht schoben sich die Menschen von hinten heran und umschlossen sie. In dem Moment hörte er April schreien.
    » Tim!«
    Er warf sich in die Richtung, aus der ihre Stimme kam, kämpfte sich durch die Meute wie ein Schwimmer, der mit der Strömung kämpfte, und stieß die Leute zur Seite. Eine ganze Traube von Flüchtlingen versuchte, sich schiebend und stoßend in Dannys Bus zu drängen. Kittridge sah, wie der Mann, der vor ihnen in der Reihe gestanden hatte, seine Tochter in die Höhe hielt und schrie: » Bitte nehmt sie doch, irgendjemand! Jemand muss meine Tochter nehmen!«
    Dann entdeckte er April in dem Strudel. Er wedelte mit den Händen über dem Kopf. » Steig in den Bus!«
    » Ich kann ihn nicht finden! Ich kann Tim nicht finden!«
    Kittridge hörte Motorengedröhn. Die Busse rollten an. Rasend vor Zorn drängte er sich zu ihr hindurch, packte sie bei den Hüften und stürzte zu Dannys Bus. Sie wehrte sich und wollte sich losreißen.
    » Ich kann nicht ohne ihn wegfahren! Lass mich los!«
    Vor sich bei den Eingangsstufen sah er Pastor Don. Er stieß April auf ihn zu. » Don, helfen Sie mir! Schieben Sie sie in den Bus!«
    » Ich kann nicht weg! Ich kann nicht weg!«
    » Ich suche ihn, April! Don, nehmen Sie sie!«
    Ein letzter Stoß durch das Gemenge, Don beugte sich herüber, packte ihre Hand und zog sie zur Tür, und dann war sie verschwunden. Der Bus war erst halb voll, aber sie durften nicht länger warten. Das Letzte, was er von April sah, war ihr Gesicht, das sich an die Fensterscheibe presste, als sie seinen Namen rief.
    » Danny, bring sie weg von hier!«
    Die Türen schlossen sich, und der Bus fuhr los.
    Lila Kyle schlief in ihrer Zelle im Keller der ABC -Anlage. Die letzten vier Tage hatte sie in einem narkotisierten Schwebezustand verbracht, in dem sie ihre Umgebung wahrnahm wie einen von mehreren Filmen, die sie gleichzeitig sah. Sie schlief, und sie träumte: einen einfachen, glücklichen Traum, in dem sie nachts in einem Auto saß und in die Klinik gefahren wurde, um ihr Baby zur Welt zu bringen. Wer den Wagen fuhr, konnte Lila nicht sehen; die

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