Die zwoelf Gebote
Nicht einmal Ratten würden sich dort aufhalten!"
„Es wird dir schon gefallen", sagte Howard. „Warte es nur ab." Als er am nächsten Zahltag seine beiden Löhne einstrich, sagte seine Frau: „Die Hälfte nehme ich. Ich muß Sachen zum Anziehen für mich und unsere Tochter kaufen."
„Es ist kein Geld da", sagte Howard. „Wieso denn das?" „Weil ich alles, was ich verdiene, auf die Bank trage." Sie sah ihn irritiert an. „Wozu brauchen wir denn ein Bankkonto?" „Das habe ich dir doch gesagt. Ich spare, damit ich das Nachbarhaus kaufen kann."
Bisher hatte sie nur den Verdacht gehabt, daß ihr Mann verrückt sei. Jetzt wußte sie es sicher. „Du willst sämtliches Geld auf die Seite tun, damit wir dieses windschiefe Loch kaufen können?" „Richtig", sagte Howard.
Als er an diesem Tag abends um sechs von seinem Tagesjob nach Hause kam, blieb ihm noch eine Stunde, bis er seinen Nachtjob antreten mußte.
Seine Frau erwartete ihn schon. „Ich will zum Essen ausgehen", sagte sie. „Ich bin schon eine ganz Ewigkeit nicht mehr aus dem Haus gekommen."
„Ich habe das Abendessen mitgebracht", sagte Howard. Er machte eine Tüte auf und holte drei Pizzas heraus. „Das ist unser Abendessen?" „Ja", sagte Howard. „So sparen wir Geld."
„Wozu sparen wir Geld?" fragte sie. Aber sie wußte natürlich die Antwort im voraus.
„Damit wir das Nachbarhaus kaufen können."
Es wurde immer schlimmer. Nicht nur kaufte Howard keine
Sachen zum Anziehen für Frau und Tochter und - führte sie niemals zum Essen aus. Er nahm auch noch einen dritten Job an. Jetzt arbeitete er praktisch rund um die Uhr und kam kaum noch zum Schlafen.
Seine Frau fing an, sich allmählich wirklich ernsthafte Sorgen um ihn zu machen. Ihr Bruder kannte einen guten Psychiater und überredete Howard, zu diesem zu gehen.
„Ich brauche keinen Psychiater", sagte Howard. „Ich bin gesund."
„Du arbeitest rund um die Uhr in drei Jobs, damit du das mieseste Haus der Welt kaufen kannst, und da hältst du dich für gesund? Du gehst jetzt zu diesem Psychiater, basta!" Damit er endlich Ruhe hatte, gab er schließlich nach. Der Psychiater war ein großgewachsener, sehr distinguiert aussehender Mann. Er genoß einen ausgezeichneten Ruf. Howards Fall interessierte ihn, weil ihm ein solcher noch nie unter gekommen war. „Legen Sie sich hin, Howard", sagte er. Howard tat es gehorsam.
„Ihre Frau sagt mir, daß Sie gleich in drei Jobs auf einmal
arbeiten."
„Richtig."
„Gefällt Ihnen arbeiten so sehr, Howard?"
„Nein."
„Würden Sie denn auch ordentlich leben können, wenn Sie nur
zwei Jobs hätten?"
„Ja."
„Und wenn Sie nur in einem einzigen arbeiteten, auch?" „Ja, ja, doch", sagte Howard.
Der Psychiater betrachtete ihn intensiv. „Aha. Also brauchen Sie in Wirklichkeit keine drei Jobs, zumal Sie auch nicht gern arbeiten. Aber trotzdem haben Sie drei zugleich angenommen."
„Richtig."
„Tun Sie das vielleicht, um zusätzliches Geld zu verdienen?" „Ja."
„Und was haben Sie mit diesem zusätzlichen Geld vor?" Howard setzte sich auf. „Ein Haus kaufen", sagte er enthusiastisch. „Nämlich mein Nachbarhaus. Es ist das schönste Haus der Welt."
Der Doktor war sehr erstaunt. „Ihre Frau sagt mir, es ist das allerhäßlichste Haus der Welt."
„Das versteht sie nicht", sagte Howard. „Aber ich sage Ihnen, daß es wirklich das allerschönste ist."
„Also gut, Howard. Meinen Sie, Sie könnten mir ein Foto von diesem Haus mitbringen?"
„Ich habe sogar eines bei mir", sagte Howard. „Ich habe es immer einstecken."
Der Doktor fand das sehr interessant. „Kann ich es also mal sehen?"
„Sicher", sagte Howard und holte das kleine Foto aus seiner hinteren Tasche. Er hielt es dem Doktor stolz hin.
Der Psychiater besah es sich lange stumm. Es war tatsächlich das mieseste Haus; das er je gesehen hatte. Es war aus Holz, sah schmutzig und verwittert aus, war windschief, und ein Teil des Daches war schon heruntergefallen.
„Haben Sie sich irgendwie in dieses Haus verliebt, Howard ?" „So könnte man vielleicht sagen, auf eine bestimmte Art", nickte Howard. „Ich begehre es jedenfalls mehr als alles auf der Welt."
„Hatten Sie immer schon so eine Liebe zu Häusern ?" wollte der Psychiater wissen.
„Nein, natürlich nicht. Wofür halten Sie mich denn, für
irgendeinen Spinner? Nein, das ist das erste und einzige Haus,
das ich liebe."
„Und Sie wollen es kaufen?"
„Ich werde es kaufen. Und wenn ich dort einziehe, bin ich der
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