Die Zwölf Türme (German Edition)
anstatt misstrauisch daran zu zweifeln. Wer in sich selbst für niemanden mehr ein Feuer entzünden will, erfriert an seiner eigenen Kälte! Du bist auch nur ein Mensch, Charles und auch du wirst nicht immer ohne Liebe und ganz allein leben können!"
"Ich weiß", murmelte er betroffen, denn ihre Worte hatten ihn wie Peitschenhiebe getroffen, "Deshalb wollte ich das alles auch beenden, bevor ich hierher kam."
"Du Dummkopf !!" fuhr sie ihn wütend an, "Willst du das etwa immer noch, du Narr? Willst du dein Leben wegwerfen, nur weil du deine erbärmliche Angst und deine Hemmungen nicht überwinden kannst? Bist du denn so schwach?"
Darauf gab Charles keine Antwort, sondern starrte nur dumpf brütend auf den Boden, weil er nichts zu sagen wusste.
"Verdammt noch mal!" schimpfte sie, "Dir ist nicht zu helfen und du willst dir auch gar nicht helfen lassen. Dann bleib´ doch in deinem blödsinnigen Gefühlskäfig, du Dickschädel! Wenn du mich nicht haben willst, dann werde ich mich dir bestimmt nicht aufdrängen, geschweige denn dir nachlaufen. Das habe ich nicht nötig. Leb´ wohl, du Narr!"
Brüsk wandte sie sich ab und ging schnell auf das Haus der Hexe zu, ohne sich noch einmal umzublicken.
Alles in ihm schrie danach, ihr nachzurennen und ihr zu sagen, wie sehr er sie brauchte und dass er sie liebte. Doch er schaffte es einfach nicht. Irgendetwas tief in seinem Innern blockierte und lähmte ihn. Hilflos, stumm und resigniert sah er zu, wie sie fortging.
Wieder hatte er eine Chance vertan und wieder war er allein, so wie er es immer gewesen war.
Eine Weile später kam Assunta wieder aus dem Haus, winkte ihm, ihr zu folgen und führte ihn zu einem großen Felsen, der sich in der Nähe mitten im Wald wie ein Monument aus dem Erdreich erhob.
Assunta rief ein Wort in der seltsamen Sprache der Magier, worauf sich im Felsgestein ein bogenförmiger Eingang wie ein Schlund öffnete.
"Geh´ dort hinein, Skarl Gaeret", sprach die Hexe, "Dort drinnen wartet das Zepter auf dich. Wenn es dich anerkennt, wird es dich zu den Türmen bringen. Einen anderen Weg hinaus gibt es nicht, denn hinter dir wird sich der Eingang schließen. Besteht du die Prüfung des Zepters nicht, so wirst du dem Wahnsinn verfalle und dieser Felsen hier wird dein Grab sein. Nun lebe wohl, Skarl Gaeret von der Anderwelt, wir werden uns wohl niemals mehr begegnen."
"Aber was ist mit meinen Gefährten?"
"Wie ich schon sagte, werden Umbras und Krysander für eine Weile meine Diener sein. Aber es wird für sie nicht zu ihrem Schaden sein. Und die Frau, vor deren Liebe du dich fürchtest, wird noch heute in ihre eigene Welt zurückkehren."
"Wäre es Euch möglich, ihr eine Nachricht von mir auszurichten?" fragte er bittend.
"Nein", gab sie zur Antwort, "dazu ist es bereits zu spät. Sie ist schon auf dem Wege zu Myrddin Emrys. Ein Einhorn hat sie geholt. Diese Chance hast du ungenutzt verstreichen lassen, Skarl Gaeret. Aber nun geh´ hinein und bestimme das künftige Schicksal von Nimmerwelt, sofern du es vermagst."
Zögernd trat Charles in die kühle Felsenhöhle hinein. Kaum war er drinnen, da schloss sich der Eingang hinter ihm. Um ihn herum herrschte jetzt undurchdringliche Finsternis.
Er zog den Sonnenstein der Elfen unter seinem Hemd hervor, dessen heller Schein das Innere der Höhle erleuchtete. Rings um ihn war massives, nacktes Gestein; vom Eingang war nichts mehr zu entdecken.
Da ertönte ein leises Summen über ihm.
Als er hochblickte, erschien über ihm in der Luft das Zepter wie aus dem Nichts. Es glühte schwach wie von innen heraus. Reglos schwebte es über ihm, gerade so hoch, dass er es noch ergreifen konnte.
Das Zepter der Türme sah aus wie ein unterarmlanger Metallstab, an dessen Ende eine Kugel mit drei spitzen Zacken angebracht war. Ansonsten war es völlig schmucklos und glich eher einem Streitkolben als einem Zepter.
Charles hob langsam den rechten Arm und ergriff das Zepter der Türme ...
... ein eigentümlicher, pulsierender Strom aus Wärme wurde von dem schwach leuchtenden Stahl auf seine Hand übertragen. Der Wärme folgte ein Kribbeln und Prickeln, als würde eine Art Elektrizität von dem Zepter aus in seinen Körper dringen.
Es war zwar nicht schmerzhaft, aber dennoch zuckte Charles erschrocken zusammen. Er spürte, wie sich sein ganzer Körper verkrampfte. Aus reinem Instinkt heraus wollte er das Zepter loslassen, aber verwundert musste er feststellen, dass ihm das nicht mehr gelingen wollte.
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