Die Zwölf Türme (German Edition)
konnten."
"Werdet Ihr uns helfen?" fragte Charles die Hexe.
"Du, Skarl Gaeret, wirst das Zepter erhalten, aber das bedeutet zugleich eine schwere und harte Prüfung deines Geistes. Bestehst du sie nicht, so wirst du dem Wahnsinn verfallen und sterben. Bestehst du sie aber, so wird es dir dienen. Aber wenn ich dir das Zepter herbeischaffe, so werde ich dafür auch ein Entgelt nehmen."
"Und welcher Art wird dieses Entgelt sein?" fragte Umbras misstrauisch.
"Ich brauche neue Diener", erklärte sie mit kaltem Lächeln, "Also wirst du, Umbras und auch du, Krysander, mir für eine gewisse Zeitspanne dienen, bis ich euch wieder freigebe."
"Und wenn wir das nicht wollen?" begehrte Krysander auf.
"Das habt ihr nicht mehr zu entscheiden", antwortete sie kalt, "Ihr könnt nicht mehr zurück, denn ihr habt euch selbst in meine Hand begeben, als ihr meinen Garten betreten habt."
Bevor Umbras oder Krysander reagieren konnten, machte sie mit der Hand eine seltsame Geste; im nächsten Augenblick erstarrten beide zu leblosen Statuen und waren zu keiner Bewegung mehr fähig.
"Was habt Ihr getan?!" rief Charles, der instinktiv nach seinem Schwert griff.
"Ich gab ihnen eine kleine Probe meiner Macht", antwortete sie ungerührt, "Sie sind der Lohn für meine Hilfe und du kannst nichts dagegen tun, Anderweltmann. Aber du brauchst dich nicht um deine Freunde zu sorgen; es wird ihnen kein Schaden zugefügt. Jetzt werde ich für dich das Zepter rufen. Dann musst du deinen Weg zu den Türmen allein gehen."
"Und was wird aus mir?" wollte Christine wissen.
"Myrddin Emrys wird dich holen und zurück auf deine Welt bringen. Ich erhebe keinen Anspruch auf dich, denn du bist eine Freundin der Einhörner und darum für mich unantastbar. Doch nun muss ich die Rückkehr des Zepters vorbereiten. Ihr habt also noch Zeit, voneinander Abschied zu nehmen, denn es ist nicht sicher, dass ihr euch auf eurer Heimatwelt wieder finden werdet."
Die Hexe wandte sich ab und ging auf das Haus zu. Krysander und Umbras folgten ihr mit steifen, ruckartigen Bewegungen wie Marionetten, die an unsichtbaren Fäden gezogen wurden.
Christine und Charles blieben allein im Hexengarten zurück...
"Nun verliere ich auch meine letzten Gefährten", murmelte Charles düster.
"Ob wir uns auf der Erde wohl wieder finden werden?" fragte sie leise.
"Ich weiß es nicht", antwortete er, "Aber ich würde mich sehr darüber freuen."
"Meinst du das im Ernst?"
Er nickte, als sie ihn das fragte und errötete dabei ein wenig.
"Aber was wird es nutzen, wenn wir uns in London wieder finden?" sprach sie leise weiter, "Willst du dann mit mir zusammenbleiben?"
"Das kann ich jetzt noch nicht sagen", murmelte er verlegen und unentschlossen.
"Wenn du nicht mit mir zusammenbleiben willst, wäre ein Wiedersehen sinnlos und wir bräuchten uns gar nicht erst zu finden versuchen. Ist es denn so unmöglich für dich, das Vergangene endlich fortzuwischen und ein neues Leben zu beginnen, mit mir? Oder hast du noch immer diese Angst davor, dein Leben wieder mit jemandem zu teilen?"
"Ich weiß nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll", sprach er zögernd, "Ich mag dich sehr und fühle mich auch zu dir hingezogen; ja, ich glaube sogar, dass ich die liebe. Aber ich habe einfach zu viel Angst davor, dich dann doch wieder zu verlieren, so wie ich damals meine Frau verloren habe. Damals ist etwas in mir kaputtgegangen und davon habe ich mich nie mehr richtig erholt. Noch einmal konnte ich diesen Schmerz nicht ertragen. Ich will so etwas nie wieder erleben."
"Aber ist das Alleinsein nicht genauso schmerzhaft?" warf sie ein, "Leidest du darunter nicht ebenso?"
"Doch - schon", gab er zu, "aber daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Je näher dir aber jemand steht, desto schlimmer ist es, ihn wieder zu verlieren. Und das will ich um jeden Preis verhindern."
"Aber es muss doch nicht so sein!" rief sie erregt und fast zornig, "Vielleicht wirst du so etwas niemals wieder erleben! Warum sollte so ein Unglück denn zweimal passieren?"
"Kannst das irgendjemand garantieren?" fragte er zurück.
"Nein, niemand kann das. Aber du kannst doch nicht immer davor Angst haben! Damit zerstörst du dich doch nur selbst! An das Glück und an das Gute nicht mehr glauben, heißt bei lebendigem Leibe gestorben zu sein! Niemand wird nur durch das eigene Ich gesättigt und wer sich in sein Ich einschließt, erstickt irgendwann daran. Du musst endlich wieder lernen, dem Glück zu vertrauen,
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