Die Zypressen von Cordoba
Demitrios durch die Stadttore kamen. Neugierig wandten die
Menschen den Kopf nach dem ungewöhnlichen Paar: Der eine war groß,
hatte rauchdunkle Haut, lief barfuß und mit eleganten lockeren
Schritten, hatte eine bunte Decke ordentlich über die Schulter gefaltet
und nahm mit wachen, mandelförmigen Augen alles ringsum gierig in sich
auf. Der andere war blaß, blauäugig, elegant nach byzantinischer Mode
gekleidet, trug ein leicht hochmütiges Lächeln auf den dünnen Lippen,
blickte mißtrauisch und abschätzig drein. Sie bewegten sich gegen den
Menschenstrom, der langsam von der Moschee wegdrängte, blieben hier und
da stehen, um sich nach dem Weg zu erkundigen. Beide waren überrascht,
welche Ehrfurcht der Name Da'ud ibn Yatom erregte, und staunten, daß
jedermann wußte, wo sein Heim zu finden war.
Ralambo strahlte zufrieden. Seine Geduld hatte sich
ausgezahlt. Er hatte gewartet, bis die venezianischen Kaufleute in
ihrem Heimathafen an Land gegangen waren und außer ihm nur noch
Demitrios als Passagier an Bord war. Erst dann hatte er ihn
angesprochen. Die Unterhaltung, die sie mit dem wenigen Arabisch führen
mußten, das sie beide sprachen, war elementar gewesen, aber sie hatte
ausgereicht, ihn den Namen des weisen Mannes erfahren zu lassen, den er
suchte.
Nach und nach hatte er sich dem griechischen Arzt nützlich
gemacht, hatte ihm seine Mahlzeiten gebracht, das Wasser für seine
Waschungen abgekocht, die er sehr genau nahm, hatte seine Kajüte
saubergemacht und aufgeräumt – alles, um sicher zu sein, daß
der Grieche nichts dagegen haben würde, wenn er ihn zu dem großen Da'ud
begleitete.
Nun bogen sie in die Straße ein, zu der man sie gewiesen
hatte, und als sie das Haus erreichten, klopfte Ralambo auf eine Geste
des Demitrios hin an die schwere Holztür. Ein Diener öffnete und fragte
sie nach ihrem Begehr.
»Ich habe eine Botschaft für Da'ud ibn Yatom von Judah, dem
König der Chasaren«, antwortete Demitrios. Ralambo stellte man keine
Fragen. Man hielt ihn für den Diener des Byzantiners.
Da'ud selbst, einen Arm zum Willkommen ausgestreckt, die Augen
leuchtend vor Freude, kam an einem Stock über den Flur gehumpelt und
begrüßte Demitrios. »Möge der Herr gesegnet sein, der mich diesen
Augenblick hat erleben lassen. Wie lange ich darauf gewartet habe!«
rief er aus, und seine Stimme bebte. Er nahm Demitrios beim Arm und
geleitete ihn in den Wassergarten. Ralambo folgte den beiden stumm auf
nackten Füßen, bestaunte mit weit aufgerissenen Augen die Präzision der
Gartenanlage, den Schimmer des Sonnenlichtes auf dem ruhigen
Wasserlauf, die einzige, schmal zulaufende Zypresse, die groß und
elegant von einer kleinen Insel im Zentrum aufragte.
Da'ud hatte nicht die Geduld, so lange zu warten, bis man den
Gästen Erfrischungen gereicht hatte oder das Gespräch mit den üblichen
höflichen Floskeln eröffnet war. Nachdem er herausgefunden hatte, wer
sein Besucher war, führte er ihn zu einer unter Bäumen stehenden
Marmorbank und bestürmte ihn sofort mit Fragen über das, was er gern
für ein unabhängiges jüdisches Königreich gehalten hätte. Für Demitrios
hatte diese Frage zwar keine große Bedeutung, doch ließ ihn Da'uds
eifrige Begeisterung nicht gleichgültig. Mit Bedauern begriff er, daß
es seine wenig beneidenswerte Pflicht sein würde, Da'ud diese Illusion
zu rauben.
»Ich verstehe«, murmelte Da'ud, als Demitrios mit seinem
Bericht über die vernichtende Niederlage zu Ende war, die die Russen
dem Königreich der Chasaren beigebracht hatten. Das Leuchten in seinen
Augen war erloschen, nun beherrschten wieder die dunklen, darunter
liegenden Ringe das blasse Gesicht. Doch nach kurzem, tiefem Nachdenken
sagte er: »Wir dürfen die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Ich
werde die Angelegenheit mit dem Kalifen besprechen. Sobald meine
Gesundheit wieder hergestellt ist, reise ich nach Itil. Es muß eine
Möglichkeit geben, Chasarien aus der Umklammerung der Russen zu
befreien.«
»Das müßt Ihr beurteilen«, erwiderte der Byzantiner, dessen
Gleichgültigkeit mit einer Spur Skepsis gemischt war. »Ich bin nur
Arzt.« Doch hegte er Zweifel, ob der byzantinische Kaiser Nikephoros
Gefallen an der Vorstellung von einem mächtigen jüdischen Staat an der
nordöstlichen Grenze seines Reiches finden würde, der zudem noch mit
den Omaijaden von Córdoba verbündet war …
Während die beiden Männer ins Gespräch vertieft waren, hatte
sich Ralambo ein wenig zurückgezogen, seinen Gürtel
Weitere Kostenlose Bücher