Die Zypressen von Cordoba
Kaspischen und Schwarzen
Meeres bekannt wird. Vor vielen Jahren erhielt ich einmal ein Schreiben
von einem gewissen Da'ud ibn Yatom, einem großen jüdischen Arzt in
Córdoba, der etwas über die Art und die Religion meines Landes zu
erfahren suchte. Ich weiß nicht, ob ihn meine Antwort je erreicht hat.
Meine Bitte ist nun, daß Ihr nach Córdoba reist, ihn aufsucht und ihm
folgendes mitteilt:
Es stimmt, daß vor zwei Jahrhunderten unser großer Herrscher
Bulan und seine engsten Gefolgsleute den jüdischen Glauben angenommen
haben. Sie entschlossen sich dazu nach einer Debatte zwischen den
Vertretern der drei großen Religionen: einem Repräsentanten Eures
eigenen orthodoxen Christentums, wie man es im mächtigen byzantinischen
Reich praktiziert, das von Südwesten her seine Schatten auf uns wirft;
einem Sprecher für den Islam, die Religion der Araber, die uns seit
Jahrhunderten an unserer südlichen Grenze zu schaffen machen; und einem
Vertreter der jüdischen Religion, deren Rabbis keine weltliche Macht
haben, für uns also keine Bedrohung darstellen. Wenige Jahre nach der
Bekehrung unserer Anführer gelang uns ein triumphaler Sieg über die
Araber in den Ländern südlich des Kaukasus, und mit der Kriegsbeute
errichteten wir einen Tempel, der dem in der Bibel erwähnten so ähnlich
ist wie nur irgend möglich. Später befahl unser König Obadiah, es
sollten Synagogen gebaut werden und man solle Schulen einrichten, in
denen die Thora und der Talmud denjenigen unter uns gelehrt wurden, die
sich von der Schamanenreligion unserer türkischen Ahnen dem Judentum
zugewandt hatten. Ich bin ein Nachfahre dieses Obadiah, und die meisten
Mitglieder meines Hofstaates sind auch Juden.
Sagt Da'ud weiterhin, daß unser Königreich Zeiten großen Ruhms
und großer Macht gekannt hat, Zeiten, in denen es sich weit nach Westen
ausdehnte, weit über das Schwarze Meer hinaus. Erzählt ihm, daß wir uns
seit Jahrhunderten der Angriffe der Araber südlich des Kaukasus
erwehren. Allerdings muß ich zugeben, daß uns dort auch das Glück hold
war, denn sie hatten anderswo wichtigere Kämpfe auszutragen. Inzwischen
haben sich jedoch die Zeiten geändert, und gegen die übermächtigen
Russen haben wir kaum eine Chance. Erzählt all das dem Da'ud ibn Yatom
und erzählt ihm auch, daß ich mit dem Sch'ma Israel auf den Lippen sterben werde.« Judah, dessen Mund vor
Furcht ganz ausgetrocknet war, nahm einen Schluck Wasser aus seiner
Kürbisflasche, ehe er fortfuhr.
»Geht nun, getreuer Sendbote. Rudert vorsichtig zwischen den
Sümpfen und Untiefen hindurch, verfolgt einen diagonalen Kurs
flußabwärts. Sobald Ihr in sicherer Entfernung vom feindlichen Lager
seid, geht an Land. Wenn der letzte Ansturm vorüber ist, nehmen
sicherlich die Flößer wieder ihre Reisen flußabwärts auf. Mit einem von
ihnen werdet Ihr bestimmt bis zum Schwarzen Meer kommen, wo Ihr eine
Überfahrt nach Byzanz finden könnt. Dies hier soll Eure Reise bis
Córdoba bezahlen«, fügte er hinzu und reichte Demitrios einen
wohlgefüllten Beutel. »Ich denke nicht, daß Eure Reise vergebens sein
wird. Ihr könnt gewiß von diesem jüdischen Gelehrten viel lernen, wenn
ich nur die Hälfte dessen glauben darf, was er mir über sich
geschrieben hat. Geht darum in Frieden, und Gott mit Euch.«
Wie leicht es geklungen hatte, als Judah diese Reise
beschrieb, erinnerte sich Demitrios voller Bitterkeit, als er erneut
die Bucht von Rhodos umrundete. In der undurchdringlichen Schwärze der
Nacht mußte er vor jedem Ruderschlag mit dem Ruder ringsum tasten,
damit er nicht mit einer einzigen falschen Bewegung den dünnen Streifen
befahrbaren Wassers verließe, über den sein Boot lautlos glitt, und in
einem Sumpf endete, aus dem ihn all sein Schreien und Rufen nicht mehr
retten würde. Es hatte in jener Nacht nicht die geringste Hoffnung
bestanden, das andere Ufer zu erreichen. Er konzentrierte all sein
Bemühen nur darauf, in diesem schmalen Wasserband zu bleiben und sich
nach Süden zu bewegen. Als einmal eine Sekunde lang seine
Aufmerksamkeit nachließ, spürte er schon, wie der Bug des Bootes auf
eine Sandbank auflief. Starr vor Schrecken, falls er etwa den einzelnen
russischen Wachtposten aufweckte, der ein wenig weiter flußaufwärts
schlummerte, stieß er sich mit seinem Ruder wieder ins Fahrwasser
zurück.
In kaltem Angstschweiß gebadet, bewegte er sich die ganze
Nacht hindurch Zentimeter für Zentimeter vorwärts, doch als im Osten
die erste bleiche Morgendämmerung
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