Die Zypressen von Cordoba
Land niederzulassen, das ihm sein früherer
Herr in Anerkennung seiner treuen Dienste überschrieben hatte. Nein,
meinte sie und beantwortete die unausgesprochene Frage, die sie in Hais
Augen las, ihr körperlicher Mangel machte ihm nichts aus. Er liebte
sie, liebte ihre Wärme und ihr Verständnis für menschliche Schwächen.
Ihr Körper sei nur eine Hülle für diese geliebte Seele. Was tat es da
zur Sache, wenn er ein wenig beschädigt war?
Hai und Dalitha waren Ehrengäste bei der bescheidenen
Hochzeitsfeier. Von allen Anwesenden war nur Hai bewußt, vor welchem
Schicksal er die Braut bewahrt hatte. Es war einer der schönsten
Augenblicke seines Lebens. Was konnte mehr Befriedigung verschaffen als
die Gewißheit, ein junges Lebewesen aus den Klauen des Todes gerissen
zu haben, und das große Privileg, dieses Leben aufblühen zu sehen?
Wenige Monate später kam Abu'l Kasim im
Hospital zu Hai geeilt, als der gerade einen ausgemergelten alten Mann
untersuchte, den man soeben eingeliefert hatte und dessen Magen so
grotesk aufgedunsen war, daß er unter dem Druck kaum noch atmen konnte.
Dicke blaue Adern traten unter der Haut des wie eine Trommel straff
gespannten Bauches hervor, und es schien, als müsse der Leib des
Ärmsten jeden Augenblick zerbersten. Den Studenten, die Hai auf seinen
Rundgängen begleiteten und begierig seinen Worten lauschten, erklärte
Hai:
»Dies ist ein klassischer Fall von Aszites oder
Bauchwassersucht, wenn sich wegen einer Geschwulst in den Gedärmen
zwischen diesen und dem Bauchfell Wasser ansammelt. Unser Bestreben muß
sein, das auffälligste Symptom zuerst zu behandeln, nämlich die
Wassersucht. Dieser Fall ist zu akut, als daß wir dem Patienten ein
Diuretikum verabreichen könnten. Wir haben keine andere Wahl, als das
Bauchfell zu punktieren, um die Flüssigkeit abfließen zu lassen und den
Druck auf den gesamten Organismus des Patienten zu verringern. Geht Abu
Wafid holen«, befahl er einem der Studenten. »Er besitzt großes
Geschick in diesem Verfahren. Beobachtet ihn genau bei der Arbeit. Ihr
könnt viel von ihm lernen.«
Abu'l Kasim, der abgewartet hatte, bis Hai mit seinen
Erläuterungen zu Ende war, trat nun hinzu und nahm ihn zur Seite. »Ich
bin gekommen, um mit Euch einen anderen Fall zu besprechen, aber als
ich Eure Diagnose hörte, habe ich mich unweigerlich auch für diesen
Fall interessiert. Würdet Ihr eine Behandlung mit dem Aloe-Extrakt in
Erwägung ziehen?«
»Ich denke nicht. Die abführende Wirkung auf die Gedärme, die
bereits von Krankheit befallen sind, würde den Patienten nur noch mehr
schwächen.«
»Aber er könnte doch trotzdem etwas von den lebensspendenden
Eigenschaften der Pflanze in sich aufnehmen? Wenn er ein wenig
kräftiger würde, wäre es vielleicht möglich, die Geschwulst zu
entfernen.«
»Ich bezweifle, daß die Aloe ihn dafür genügend stärken
könnte.«
»Es ist einen Versuch wert. Es ist unsere einzige Hoffnung.«
»Meiner Meinung nach eine eitle Hoffnung.«
Und tatsächlich, kaum hatte sich der alte Mann von der
Punktierung seines Unterleibs ein wenig erholt, da überkam ihn ein
andauernder Durchfall, in dem sich auch mehr und mehr Blut zeigte. Wie
immer hatte sich Hais Einschätzung bewahrheitet. Die ernsten Gesichter
der beiden Männer, die auf die jammervolle Gestalt herabschauten, war
eine stumme Bestätigung seines bevorstehenden, unvermeidlichen Todes.
Abu'l Kasim machte sich Sorgen um eine seiner Basen, eine
Witwe, die seiner Frau beiläufig erzählt hatte, sie hätte einen Knoten
in ihrer Brust ertastet.
»Ich vermute, der Fall liegt ähnlich wie bei Stella, und ich
möchte gern, daß Ihr sie genauso behandelt. Würdet Ihr Euch bereit
erklären, sie zu untersuchen?«
»Es überrascht mich, daß Ihr meint, fragen zu müssen«,
erwiderte Hai. »Aber wie wollt Ihr sie dazu überreden, sich von mir und
nicht von Euch, ihrem Verwandten, behandeln zu lassen?«
»Das überlasse ich meiner Frau.«
Und so geschah es. Wie Stella legte auch Abu'l Kasims Base ihr
Schicksal vertrauensvoll in Hais erfahrene Hände und stimmte zu, daß
der Chirurg den empfohlenen Schnitt durchführte. Während ihrer Genesung
besuchte Hai sie jeden Tag, und allein schon seine Gegenwart, seine
tiefe Menschlichkeit beruhigten, ermutigten und ermunterten sie. Wie
Stella nahm auch sie den bitteren Extrakt genau nach Hais Vorschriften
ein. Und zumindest für einige Zeit war auch sie vor einem Schicksal
errettet, das sie nicht einmal ahnte.
Als aus
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