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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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Gesundheit …
    War die Krankheit bereits zu tief in den Organismus der Frau
vorgedrungen gewesen, als daß er sie noch hätte retten können, oder
hätte er zusammen mit dem Chirurgen auch ihr helfen können? Diese Frage
ließ sich nicht aus Hais Gedanken vertreiben, sie lauerte ihm im Schlaf
auf und erregte in ihm eine Unruhe, die seiner ruhigen und sanften
Natur völlig fremd war. Weder Dalitha mit ihrer Milde noch der
aufgeweckte kleine Amram mit seinen vorwitzigen Fragen konnten ihm mehr
als nur kurze Augenblicke der Ruhe schenken.

33
    M onat für Monat voller Ungewißheit und
Fragen waren vergangen, als eines Donnerstags Prinzessin Subh wieder
bei Hai erschien. Wie beim erstenmal war sie dicht verschleiert,
diesmal aber kam sie in Begleitung einer anderen Frau, die ähnlich
gekleidet war. Hai war äußerst unwohl zumute, als er die beiden Frauen
ins frühere Studierzimmer seines Vaters führte. Offensichtlich waren
die Großen – wenn auch nicht die Mächtigen – wild
entschlossen, ihn nicht aus ihren Fängen zu lassen … Die
Prinzessin stellte ihre Begleiterin als Herzogin Sabina vor, ihre Tante
aus dem Baskenland, deren ruhmreiche Vorfahren, wie sie ihn erinnerte,
778 in Roncesvalles Karl den Großen in die Flucht geschlagen hatten.
Obwohl das schon von Natur aus schmale Gesicht der Herzogin eingefallen
und grau war und sie tiefe dunkle Ringe unter den Augen hatte, trotz
ihrer ausgemergelten Gestalt nahm sie all ihre Kraft zusammen, um so
hochmütig aufzutreten, wie es ihrem Rang entsprach.
    Mit der aufrichtigen Sorge, für die Hai von all seinen
Patienten so geliebt und geachtet wurde, hörte er der Herzogin
aufmerksam zu, während sie ihm erklärte, warum sie von so weit her
angereist war, um ihn um Rat zu fragen. Ständige Schmerzen im Oberbauch
und im Rücken raubten ihr nun schon einige Zeit den Schlaf. Sie hatte
jeglichen Appetit verloren, und – dabei starrte Prinzessin
Subh mit einem besonders vorwurfsvollen Blick zu Hai hinüber –
es war ein seltsam harter Knoten in einer ihrer Brüste zu spüren. Angst
legte sich wie ein Schleier vor ihre ruhigen grauen Augen, als sie
fortfuhr: »Unser Arzt hat mir nur wenig Hoffnung gemacht. Er hat vage
von einer bösartigen Krankheit gesprochen, für die es keine Heilung
gibt.«
    »Ich habe darauf bestanden, daß die Herzogin Euch aufsucht«,
warf Prinzessin Subh ein. »Die Frauen von Córdoba behaupten, das
Wundermittel, das Ihr mit Hilfe meines armen verstorbenen Gatten aus
Afrika hierhergeholt habt, könne solche Geschwulste heilen.«
    Hais ungutes Gefühl wuchs. Gerüchte oder Phantasie oder
schlicht Wunschdenken, vielleicht angeregt durch die zweifelhaften,
vielleicht auch nur zeitweiligen Erfolge, die er bei Stella und Abu'l
Kasims Base erzielt hatte, hatten aus ihm eine Art Wunderheiler
gemacht, dem man Kräfte zuschrieb, die er nicht besaß und die er auch
nicht im Traum für sich beansprucht hätte. Ein Blick auf die
eingefallene Gestalt der baskischen Adeligen reichte, um ihn davon zu
überzeugen, daß es kaum noch eine Chance gab, sie zu retten. Er konnte
sich jedoch nicht weigern, sie zu behandeln, und da ihre Nichte ihr
Hoffnungen gemacht hatte, mußte er sich letztendlich vor ihr, der
Mutter des Kalifen, verantworten, wenn seine Behandlung fehlschlug.
Prinzessin Subh und ihr verderbter Sohn waren zwar der wirklichen Macht
im Reich beraubt, verfügten aber zweifelsohne noch über Mittel und
Wege, um seinen Ruf zu ruinieren, wenn nicht gar eine drastischere
Strafe über ihn zu verhängen … Eine offene ehrliche Erklärung
war also vonnöten.
    »Die Frauen von Córdoba schreiben mir Kräfte zu, die jeder
Arzt seit der Zeit der Antike gerne besessen hätte, aber leider habe
weder ich sie, noch hat je ein anderes Mitglied unseres Berufsstandes
über sie verfügt. Es gibt viele Arten von bösartigen Krankheiten.
Manche Geschwulste können wir erkennen und gelegentlich durch
Herausschneiden beseitigen, wenn sie noch nicht lange bestehen, wenn
sie nicht nahe bei einem lebenswichtigen Organ sitzen und wenn der
Patient stark genug ist, um die Operation zu überleben. Die Existenz
anderer Geschwulste, die unseren Augen verborgen sind, können wir
manchmal aus den Symptomen ableiten, die sie hervorrufen, aber bei
diesen besteht wenig Hoffnung auf eine Heilung. Hippokrates war der
Meinung, man solle einige besser unbehandelt lassen, weil die
Operation, mit der man sie entfernt, gefährlicher ist als das langsame
Wachstum dieser Geschwulste. In

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