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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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Zutaten auf ein kleines Stück
Papier, das er faltete, versiegelte und ihr reichte. »Sollte sich eine
ungute Entwicklung ergeben, so laßt es mich wissen, und ich komme
persönlich nach Bilbao und behandle Euch.«
    Kurz darauf verabschiedeten sich die beiden Damen,
hinterließen auf dem Diwan, auf dem sie gesessen hatten, einen
Samtbeutel, der großzügig mit Golddinaren angefüllt war.
    Wie vereinbart, trafen regelmäßig alle zwei Monate Sendboten
aus dem Baskenland in Hais kleinem Landhaus ein – einmal,
zweimal, ein drittes Mal. Hais Augen leuchteten voller Zufriedenheit
auf, wenn er die staubbedeckten Gestalten sah, die sich auf der Straße
von Norden näherten, denn ihre Ankunft bedeutete, daß es der Herzogin
gut ging. Um ihn zu beruhigen, schickte sie immer noch eine Botschaft
mit. Einmal schrieb sie von dem ungeheuren Vergnügen, das ihr die
gemächlichen Ausritte am Fluß entlang bescherten, ein anderes Mal von
den köstlichen unschuldigen Stunden, die sie im Kreise ihrer Enkel
verbrachte. Hier schilderte sie ihm die purpurnen Sonnenuntergänge, die
das Flußdelta auflodern ließen, dort den süßen, reinen Gesang der
Vögel, der am Abend ihre Ohren erfreute. Wie gierig sie jeden
Augenblick, jede Seite ihres Lebens genoß! Hai lächelte, wenn er ihre
Zeilen las.
    Als die Boten jedoch das vierte Mal hätten erscheinen müssen,
blieben sie aus. Hai wartete eine Woche, dann noch eine, und von Tag zu
Tag wuchs seine Sorge. Als er nach zwei Wochen noch immer kein
Lebenszeichen hatte, beschloß er, den Extrakt persönlich nach Bilbao zu
bringen, um sicherzustellen, daß der Vorrat der Herzogin nicht zur
Neige ging. Während der ganzen Anreise plagten ihn düstere Vorahnungen.
Warum waren die Sendboten nicht gekommen? Waren sie von Wegelagerern
überfallen worden? Oder hatte die Herzogin das Vertrauen in seine
Behandlung verloren? Wahrscheinlich hatte sie einen Rückfall erlitten
und war zu krank, um die Boten auszusenden. Es war sogar möglich, daß
sie gestorben war und niemand sich die Mühe gemacht hatte, ihn zu
benachrichtigen. Was ihn bei seiner Ankunft in dem schmucklosen
Steinpalast erwartete, war eine tragische Kombination seiner
schlimmsten Befürchtungen.
    Er gab sich als der Arzt der Herzogin Sabina aus Córdoba zu
erkennen und wurde eilends in ihre Gemächer geleitet. Gerade wollte er
in das Zimmer eintreten, in dem sie lag, als der ortsansässige Arzt,
der ängstlich neben der Tür kauerte, während ihr die Sterbesakramente
gespendet wurden, ihm in den Weg zu treten versuchte.
    »Ihr seid also der berühmte Hai ibn Yatom«, zischte er
verächtlich und musterte den Gelehrten in seinen dunklen Gewändern mit
unverhohlener Abscheu. »Der unsere geliebte Herzogin mit seinem
sogenannten Lebenselixier in diesen bedauernswerten Zustand versetzt
hat.«
    »Das möchte ich lieber selbst beurteilen«, erwiderte Hai und
schob sich an der jämmerlichen Gestalt des Medicus vorbei, als der
Priester aus dem Zimmer trat. Selbst die Weihrauchwolken, die ihn
umwallten, konnten den Geruch der Krankheit nicht übertönen, der aus
dem Zimmer drang.
    Das eingesunkene Gesicht der Herzogin war kaum auszumachen
unter den Pelzen, die man in dem verzweifelten Bemühen, ihrem Frösteln
Einhalt zu gebieten, über sie gebreitet hatte. Wie kalt sie sich trotz
allem fühlte! Hai setzte sich an ihr Bett und legte ihr sanft seine
kühlende Hand auf die glühende Stirn. Obwohl ihre Augen vom Fieber
glasig waren, leuchteten sie doch mit seltsamer Zufriedenheit auf, als
sie ihn erkannte. Mit einer mitleiderregenden Geste – ob mit
der flehentlichen Bitte um Leben oder um den Tod, er konnte es nicht
sagen – streckte sie die mageren Hände zu ihm hin. Er nahm sie
zwischen die seinen, und ein Strom des Mitgefühls floß von seiner Seele
in die ihre. Es war das einzige, womit er ihr jetzt noch helfen konnte.
    »Danke, daß Ihr gekommen seid«, murmelte sie schwach. »Eure
Gegenwart ist mir ein unschätzbarer Trost.«
    Das war alles. Keine Beschwerden, keine Vorwürfe, keine
Forderungen. Wie typisch für diese edle Seele, dachte er, als sein
erfahrenes Auge über ihre gelbliche Haut und den gelben Schimmer im
Weiß ihrer Augäpfel schweifte. Er mußte gar nicht mehr sehen –
nicht die dunkle Farbe ihres Urins, nicht das Blut und die schwärzliche
Flüssigkeit, die sie ausgeschieden hatte. Der Körper der armen Frau war
völlig zerfressen von der Krankheit, wie ihn der Rückenschmerz hatte
befürchten lassen. Die bösartige

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