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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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wirksam erwiesen.
Ralambos Extrakt? Höchst unwahrscheinlich. Wenn die Vorväter der
Antike, die viele Eigenschaften der Aloe kannten, sie nie als
Heilmittel gegen die Pestilenz genannt hatten, dann hatte sie sich
wahrscheinlich als wirkungslos erwiesen, um so mehr, als ihre
abführende Wirkung zusätzlich dagegen sprach. Hier wurde keine
Steigerung der Vitalität gebraucht, sondern etwas anderes, etwas, das
als Gegenmittel gegen die von der Pestilenz hervorgerufene Vergiftung
des Blutes wirken würde. Während er in seinen Truhen nach einem
frischen dunklen Gewand wühlte, hielt er plötzlich wie gebannt inne.
Die Worte, die ihm sein Vater auf dem Totenbett gesagt hatte, schossen
ihm durch den Kopf: »… habe ich ihm, hauptsächlich einem Impuls
folgend, geraten, stets eine kleine Menge zur Vorbeugung
einzunehmen … Diese vorbeugende Wirkung ist nicht eindeutig
bewiesen, trotzdem bin ich nach wie vor davon überzeugt …
Mache damit, was du willst.«
    Was war denn die Pest, wenn nicht die Ausbreitung einer
giftigen Substanz im ganzen Körper? Und was war der Große Theriak, wenn
nicht das stärkste Gegengift, das der Menschheit bekannt war? Daß seine
Wirksamkeit gegen die Pest nirgends vermerkt und nicht mit all dem
anderen Wissen der Antike überliefert war, hatte vielleicht damit zu
tun, daß einige Zutaten sehr selten, andere schwer zu bekommen und
wieder andere unerschwinglich teuer waren. Damals wie heute wäre es
unmöglich, ein solches Gegengift der gesamten Bevölkerung eines
Gebietes zur Verfügung zu stellen, in dem die Pest tobte. Einer
kleinen, isolierten Gruppe von Menschen konnte man es jedoch
verabreichen. Wie schon sein Vater gesagt hatte, schaden konnte es
jedenfalls nicht.
    Hai griff das erste Gewand, das ihm in die Hände fiel,
schlüpfte hinein und knöpfte es hastig zu, während er schon in sein
Apothekenzimmer eilte, wo er Medikamente, Kräuter, Gewürze und heilende
Mineralien aufbewahrte. Mit einem raschen Blick auf die wohlgeordneten
Tiegel und Töpfe auf den Brettern, die alle sorgfältig beschriftet
waren, berechnete er, daß er – zusammen mit dem Vorrat an
Großem Theriak, der ständig im Palast aufbewahrt wurde – eine
Menge zubereiten könnte, die gerade eben für den engsten Familienkreis
der beiden Herrscher des Kalifates ausreichen würde – und für
seine eigene. Was nun aber mit den königlichen Harems, den Wesiren, den
Hauptleuten der Armee? Er hatte keine andere Wahl, als für sie aus den
vier Zutaten Myrrhe, Lorbeersamen, Osterluzei und gelbem Enzian, von
denen er ausreichende Vorräte besaß, einen anderen Theriak anzusetzen.
Diese vier mit geläutertem Honig zu einer Latwerge vermengt, stellten
das erste Mittel dar, das die Ärzte der Antike gegen jegliche Art von
Gift gemischt hatten. Seinen kleinen Vorrat an Bezoar würde er für
unvorhergesehene Notfälle zurückbehalten. Mehr konnte er nicht tun.
    Aber sollte er es machen? Indem er die Hoffnung erweckte, daß
man sich gegen die gefürchtete Pestilenz schützen konnte, würde er sich
wieder einmal eine Falle stellen, genau wie damals mit Ralambos
Extrakt. Wenn er Erfolg hatte, würde sein Ruhm nah und fern erschallen.
Wenn nicht, dann wären die Folgen nicht absehbar. Er hatte keine Zeit
zum Zögern. Er mußte sich entscheiden. Es gab jedoch nur eine
Entscheidung, die er, Hai ibn Yatom, treffen konnte. Seine Mission,
sein überwältigender Wunsch, die Krankheiten zu besiegen, die die
Menschheit heimsuchten, trieb ihn unermüdlich immer weiter, zwang ihn,
es immer und immer wieder zu versuchen … Geduldig würde er den
Hohen und Mächtigen erklären, den Männern der Macht, die er immer
gemieden hatte, daß die Möglichkeit des Schutzes gering sein mochte,
daß sie aber immer noch besser war als gar kein Schutz.
    Dalitha kam zu ihm geeilt, und ihr bleiches Gesicht verriet
ihre Sorge um ihn. »Was hat das zu bedeuten, daß eine so bedrohliche
Delegation zu dieser ungewöhnlichen Stunde hier erschienen ist?« fragte
sie, und ihre Stimme überschlug sich vor Angst. Während er die
zweiundvierzig Zutaten des Großen Theriak abwog und abmaß, erklärte ihr
Hai rasch den Grund, erwähnte aber nicht, daß die Krankheit zunächst in
Sevilla ausgebrochen war, damit sie sich nicht noch zusätzlich Sorgen
um Amira und ihre Familie machte. Dann vertraute er ihr die letzten
Handreichungen in der Zubereitung des kostbaren Gegengiftes an.
    »Wenn es fertig ist«, wies er sie an, »mußt du selbst zur
Vorbeugung eine Menge

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