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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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etwa von der Größe einer Nuß einnehmen und Amram
eine etwas kleinere Menge verabreichen.«
    »Und was ist mit dir und Sari?«
    »Wir beide werden unsere Dosis aus den Vorräten für den Palast
in Córdoba nehmen. Den Rest werde ich dem Kalifen in die Medina Azahara
bringen, sobald ich dafür gesorgt habe, daß man Mutter hierher schafft.
Sie darf auf keinen Fall in der Stadt bleiben.«
    »Für wen ist diese Portion hier?«
    »Für al-Mansur, falls er zurückkehren sollte, und für seine
engste Familie.«
    Bei diesen Worten zuckte Dalitha zusammen. Hai schaute sie
traurig an und legte ihr schützend den Arm um die Schulter, während er
sagte: »Ich weiß, es ist ungerecht. Warum diese Menschen, warum nicht
Stella, Amrams treusorgende Kinderfrau, oder Yahya, der getreue Diener
der Familie? Du weißt, wie verzweifelt ich mich bemüht habe, nicht in
den Netzen des höfischen Lebens gefangen zu werden, aber diesmal hatte
ich keine andere Wahl.«
    »Und wenn dein Experiment mit dem Theriak fehlschlagen sollte?«
    »Dann bin ich in großer Gefahr, so als hätte ich die Befehle
des Kalifen mißachtet. Noch schlimmer wird es, wenn er der Pestilenz
zum Opfer fallen sollte. Was immer ich auch tue, man wird mich
beschuldigen, meine Pflichten vernachlässigt zu haben, wenn ihm etwas
geschieht. Indem ich, wie mein Vater, den Großen Theriak vorbeugend
einsetze, könnte ich möglicherweise nicht nur für den Kalifen, sondern
für die Menschheit einen Aufschub erwirken. Ich muß es versuchen,
Dalitha, ich muß es versuchen.«
    Machtlos angesichts des überwältigen Drangs, der ihn antrieb,
zeigte sich Dalitha widerwillig einverstanden.
    Hai fand den Kalifen wie immer in seine
Kissen gebettet vor. Ein kaum zur Frau herangewachsenes Mädchen kauerte
neben seinem Haupt und streichelte ihm die niedrige, schweiß glänzende
Stirn, während ein Junge, der ihr verblüffend ähnlich sah, neben dem
Kalifen ausgestreckt lag, eine Hand unter den üppigen Roben des
Herrschers verborgen. Bei näherem Hinsehen bestätigte sich Hais erster
Eindruck: die beiden jungen Geschöpfe, die auf ihrem Pfad von der
Kindheit zum Erwachsensein in die Fänge des Kalifen geraten waren,
waren tatsächlich Zwillinge, und ihre geschmeidigen, noch nicht voll
ausgereiften Körper eine seltene Delikatesse, die den übersättigten
Kalifen erfreuen sollte. Angesichts dieser widerwärtigen Szene tat sich
für Hai ein weiteres Dilemma auf. Die Menge an Großem Theriak, die der
Familie des Kalifen zur Verfügung stand, war begrenzt – gerade
genug für seine Mutter, die Prinzessin Subh, den Herrscher selbst und
diejenigen, die gerade seine Gunst genossen. Kinder hatte Hisham noch
nicht gezeugt, aber Hai hatte keine Vorstellung davon, wie viele andere
glücklose Geschöpfe neben den Zwillingen im Augenblick noch Gegenstand
seiner Begierde waren. Wem würde die schicksalhafte Aufgabe zufallen,
die wenigen Privilegierten auszuwählen, die zum innersten, intimsten
Kreis des Kalifen gehörten? Mit einer trägen Geste deutete ihm Hisham
an, er möge sich setzen.
    »Also, Abu Amram, habt Ihr Euch endlich herabgelassen, mir zu
dienen«, sagte er, und seine Stimme, die jugendlich fest und kraftvoll
hätte sein sollen, klang schwach und müde. »Ich habe kein Auge zugetan,
seit ich hörte, die Pest könnte unter uns sein«, fuhr er fort. »Ich bin
starr vor Furcht, daran zu sterben. Niemand außer Euch kann mich noch
retten«, flehte und wimmerte er, während er sich in seine Kissen
kauerte.
    »Es ist uns kein Heilmittel gegen die Pestilenz bekannt«,
begann Hai vorsichtig. »Aber Ihr habt gute Aussichten, der Krankheit zu
entkommen, wenn Ihr hier in der Medina Azahara bleibt, von der Stadt
abgeschnitten. Kein Essen und keine Getränke dürfen von außen in den
Palastbezirk hereingebracht werden. Es müssen Anweisungen ergehen, daß
der Notvorrat an Nahrungsmitteln in gleichen Mengen gerecht aufgeteilt
werden soll, so daß allen hier ein Mindestmaß an Nahrung zur Verfügung
steht, bis die Gefahr vorüber ist. Am wichtigsten ist jedoch, daß alles
Wasser vor dem Trinken abgekocht wird.«
    »Erklärt das Yunus«, seufzte der Kalif müde. »Ich bin viel zu
schwach, um mich mit derlei Einzelheiten abzugeben.«
    »Und schließlich«, fuhr Hai fort und überging die
unverzeihliche Gleichgültigkeit des Kalifen gegenüber dem Wohlergehen
derer, die ihm dienten, »müßt Ihr strenge Anweisungen geben, daß
niemand von außerhalb in den Palastbezirk eingelassen werden

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