Die Zypressen von Cordoba
darf.«
»Außer Euch«, warf Hisham ein. »Aber wie kann ich sicher sein,
daß Ihr die Ansteckung nicht einschleppt? Bei Allah, ich überlege, ob
ich Euch nicht hierbehalte, falls ich Euch brauchen sollte.«
»Bei allem Respekt, o Herrscher der Gläubigen, meine Pflichten
als Hofarzt verlangen auch, daß ich mich um Euren Großkämmerer und sein
Gefolge in der Medina Azahira kümmere.«
»Mein Großkämmerer, immer wieder mein Großkämmerer, der meine
Pläne durchkreuzt«, wimmerte der verderbte junge Herrscher. »Aber ich
verbiete Euch bei Androhung der Todesstrafe, die Stadt Córdoba zu
betreten, was immer auch Euer Vorwand sein mag. Ich könnte Euch
jederzeit benötigen, und ich möchte daher, daß Ihr am Leben und bei
guter Gesundheit seid. Warum, weiß ich allerdings nicht«, fügte er
neckisch hinzu. »Ihr enttäuscht mich. Ich hatte mehr von Euch erwartet.
Angenommen, ich werde von der Pest heimgesucht. Was könnt Ihr mit all
Eurem Wissen und Eurer Erfahrung dann für mich tun?«
»Wie ich Euch bereits angedeutet habe, nur sehr wenig. Ich
kann nur zu verhindern versuchen, daß Ihr Euch ansteckt, indem ich die
notwendigen Vorkehrungen treffe.«
»Ich glaube nicht, daß sie wirksam sind«, schmollte Hisham.
»Es könnte noch eine andere Möglichkeit geben«, brachte Hai
nun hervor und rieb sich die langen schmalen Hände, während er seine
Worte sorgsam abwägte. »Die Ärzte der Antike haben viel Vertrauen in
den Großen Theriak gesetzt, als Gegenmittel gegen Gifte aller Art. So
wie ich es sehe, ist die Pestilenz auch eine Art Gift. Wenn Ihr ein
wenig vom Großen Theriak zur Vorbeugung einnehmt, ehe Ihr Euch unter
Umständen ansteckt, dann besteht die Möglichkeit, daß dies Euch retten
könnte.«
»Die Möglichkeit, die Möglichkeit!« grollte der Kalif. »Was
für eine Möglichkeit?«
»Eine geringe Möglichkeit, aber besser als gar keine.«
In Hishams Augen schien kurz ein Hoffnungsschimmer
aufzuleuchten, dann verdunkelten sie sich sofort wieder bedrohlich.
»Und wer sagt mir, daß meine Feinde Euch nicht angestiftet haben, ein
Gift in Euer sogenanntes Heilmittel zu mischen? Wie könnte man mich
besser beseitigen, als wenn man meinen Tod einem Ausbruch der Pest
zuschriebe?«
Hai würgte seine Wut über diesen unerhörten Angriff auf seine
ärztliche Berufsehre herunter, richtete sich zu voller Größe auf und
antwortete mit tödlicher Ruhe: »Es gibt Zeiten, o Herrscher der
Gläubigen, da ein Mann denjenigen, die er zu Hilfe ruft, sein Vertrauen
schenken muß.«
»Mich hat die Erfahrung gelehrt, nie jemandem zu trauen«,
murmelte der Kalif, und seine dicken, feuchten Lippen verzogen sich.
»Dann fürchte ich, kann ich Euch nicht weiter behilflich sein.«
Mit diesen Worten erhob sich Hai und wandte sich zum Gehen.
»Nein, nein! Wartet! Ich habe Euch noch nicht entlassen.
Angenommen, ich nehme den Großen Theriak vorbeugend ein. Kann er mir
schaden?«
»Überhaupt nicht.«
Der Kalif musterte Hai nun mit seinen matten, trägen Augen,
als versuche er das Ausmaß von dessen Treue und Ergebenheit
abzuschätzen. »Werdet Ihr dem Mann, der für mich mein Königreich
regiert, den gleichen Schutz anbieten?«
»Ich bin auf seinen wie auf Euren Befehl hier.«
»Wahr, wahr«, murmelte der Kalif und wünschte al-Mansur den
Tod auf den Leib, wußte jedoch gleichzeitig, daß er ohne ihn nicht
fähig wäre, sein Königreich überhaupt zu halten …
»Nun gut. Ich befehle Euch, den Theriak mir, meiner Familie
und allen im Palastbezirk zu verabreichen.«
»Das liegt nicht in meiner Macht. Die Seltenheit einiger
Zutaten dieses Gegengifts macht es mir unmöglich, eine so große Menge
in der Kürze der Zeit herzustellen. Im Augenblick ist für Euch und Eure
engste Familie ausreichend Theriak vorhanden. Bis morgen ist dann der
Theriak aus vier Zutaten, ebenfalls ein Gegenmittel von beträchtlicher
Stärke, für alle anderen Mitglieder des Hofes fertig.«
»Für mich und meine Familie!« höhnte der Kalif. »Macht Euch
nicht lustig über mich. Außer meiner Mutter zähle ich zu meiner Familie
noch eine ganze Schar köstlicher junger Geschöpfe wie diese
hinreißenden Zwillinge hier, denen ich allen zutiefst verbunden bin.«
Während er seine Stimme zu einem Flüstern senkte, hob er eine Hand, um
die knospenden nackten Brüste des jungen Mädchens zu liebkosen, und
beugte sich dann herab, um die glatte, helle Stirn ihres
Zwillingsbruders zu küssen. »Wenn sie mir geraubt werden, verliert mein
Leben jeglichen
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