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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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ritt, noch
eine Dosis vom Großen Theriak und wie zuvor Schluck für Schluck einen
Becher Wein. Obwohl der Mann noch im Fieberwahn war, verschlechterte
sich sein Zustand nicht. Drei Tage und Nächte wiederholte Hai diese
Behandlung, ehe das Fieber allmählich nachließ. Am vierten Tag war
Yahya zwar ruhig und schwach, konnte aber doch sprechen.
    Auf Hais Frage, wie er das kleine Landhaus erreicht hatte,
antwortete er, als er vom Markt heimgekehrt sei und Sari nicht mehr
vorgefunden habe, sei er wie die anderen, die von der Seuche gehört
hatten, aus der Stadt fortgegangen. Erst im Laufe des Tages hatte er
gespürt, wie das Fieber einsetzte. Sicher, daß er in Hais Haus Hilfe
finden würde, hatte er seine letzten Kräfte aufgeboten, um
hierherzugelangen. »Gott sei gepriesen, junger Herr, Ihr habt mir das
Leben gerettet«, murmelte er unter Tränen und umklammerte voller
Dankbarkeit Hais Hände.
    Während der drei kritischen Tage von Yahyas Erkrankung hatte
Hai seine Mutter genau im Auge behalten, aber als sich keine Anzeichen
eines einsetzenden Fiebers zeigten und es Yahya besser ging, war er
weniger wachsam und begann Schlüsse aus dem zu ziehen, was er
beobachtet hatte. Es stimmte, Yahya war immer schon für sein
ungewöhnliches Durchhaltevermögen bekannt gewesen, aber daß er in
seinem hohen Alter die Pest überlebt hatte, grenzte an ein Wunder.
Gleichermaßen wundersam war es, daß Sari, die Gerichte gegessen hatte,
die ihr der Diener zubereitet hatte, sich diese Krankheit gar nicht
erst zugezogen hatte. Man konnte all das natürlich dem Zufall
zuschreiben. Bei jeder Epidemie gab es Überlebende. Warum sollten Sari
und Yahya nicht zu ihnen gehören? Aber das glaubte Hai nicht. Zum
anderen war noch nicht bewiesen, daß der Große Theriak eine wirksame
Waffe gegen die Pest darstellte, denn bisher war nur Yahya anscheinend
durch das Mittel geheilt worden, und bei Sari hatte es offenbar
erfolgreich seine vorbeugende Wirkung gezeigt. Die Lage war ähnlich wie
bei Ralambos Extrakt.
    Die Seuche war von begrenztem Ausmaß. Sie klang recht schnell
ab, und aus den beiden königlichen Palästen wurde kein einziger
Todesfall gemeldet. Auch hier war es unmöglich festzustellen, ob die
Rettung der Isolation oder der vorbeugenden Wirkung des Großen Theriak
zu verdanken war. Manche schrieben ihr Überleben dem einen zu, manche
dem anderen. Manche dankten Allah und beriefen sich auf das Schicksal,
das ihnen bestimmt war, andere schworen auf eine Mischung aus
Göttlichem und Menschlichem. Doch was sie auch glaubten, beinahe alle
zollten Hai Dank, ihnen das Leben gerettet zu haben.
    Von nun an wagte es im ganzen Reich, weder im einen noch im
anderen Palast, vom Niedrigsten bis zum Höchsten, niemand mehr, ein
Wort gegen ihn zu sagen. Dank seiner hartnäckigen Ausdauer bei der
Suche nach Heilmitteln für die Krankheiten der Menschen hatte er sich
das Recht erworben, sein abgeschiedenes Leben als Heiler und Forscher
weiterzuführen.
    Doch schon bald sollte seine Ruhe aufs neue gestört werden.
Als sich das Leben in Sevilla mehr oder weniger normalisiert hatte und
die Verbindung zwischen der Hafenstadt und Córdoba wieder aufgenommen
wurde, übermittelte ihm der führende Rabbi der Stadt die Nachricht, die
er befürchtet hatte: Amira und ihre ganze Familie waren der Pest zum
Opfer gefallen.
    Es war, als hätte jemand alle Lichter im Haus gelöscht. Ein
dunkler Schleier des Schweigens senkte sich herab, und jedes Mitglied
der Familie reagierte auf eigene Weise auf diese Tragödie. Hai haderte
wütend mit sich, denn er wußte, daß er seine Schwester und ihre Familie
vielleicht hätte retten können, wenn sie nur in seiner Nähe gewesen
wären. Sari begehrte gegen die Ungerechtigkeit Gottes auf und weinte
unaufhörlich. Warum war sie, die ihr Leben gelebt hatte, sie, für die
die Welt jeglichen Reiz verloren hatte, gerettet worden, während eine
junge Familie hatte zugrunde gehen müssen? Dalitha war
niedergeschmettert, zog sich ganz in sich zurück und wütete gegen Gott
selbst. Benommen vor stummem Schmerz, vergrub sie sich in ihren
Übersetzungen, versuchte verzweifelt, die Tragödie aus ihren Gedanken
zu verbannen. Sie war so sehr mit sich beschäftigt, daß sie Hai zuerst
überhaupt nicht verstand, als er ihr mitteilte, daß Sari von nun an bei
ihnen im Haus bleiben sollte.
    Er hatte das schon lange in Erwägung gezogen. Nachdem seine
Mutter ihre gewohnte Umgebung verlassen hatte und zu ihnen auf den
Landsitz gekommen war, war

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