Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
Vom Netzwerk:
und weiß nach außen, verschmolzen die Farbnuancen
harmonisch, strahlten in vollkommenen, rhythmischen Proportionen zum
Rand hin aus, wie sie keine Menschenhand je hätte erschaffen können.
Diese Vollkommenheit der Schöpfung hatte seinen Vater immer verwirrt,
erinnerte er sich nun mit einer Zärtlichkeit, die wohl der Entfernung
von seinem Zuhause zu verdanken war. Wenn derlei Vollkommenheit in der
Welt war, was hatte sie dann getrübt? War Gott seiner Schöpfung müde
oder überdrüssig geworden? Hatte er sein kapriziöses Vergnügen an
Verirrungen, Unordnung, Konflikten und menschlichem Leid gefunden? Wenn
das so war, wie konnte man Ihn dann als weisen, barmherzigen und
allmächtigen Gott verehren, dem das Wohl der Menschen am Herzen lag?
Amram legte die Muschel wieder in den Sand, gab seine fruchtlosen
Grübeleien auf und wandte sich der praktischen Frage des Hauskaufs zu.
    Es mußte einen Säulengang haben, mit schmalen Hufeisenbögen,
durch die man auf das sich ständig verändernde Panorama des Himmels und
des Meeres blicken konnte. Der Gedanke gefiel ihm. Hier in Málaga war
er sicher, denn der slawische Gouverneur der Stadt, ein von einem von
al-Hakams Höflingen freigelassener Sklave, hatte einen Pakt mit den
streunenden Berberführern geschlossen, die ihm versprochen hatten, sein
Gebiet in Ruhe zu lassen. Die Berber hatten diese Übereinkunft
zweifellos aus purer Notwendigkeit getroffen: Eine friedliche Enklave,
in der Handel ohne Störungen möglich war, war für sie lebenswichtig, um
eine regelmäßige Versorgung ihrer Männer mit Nahrung, Waffen und
Munition zu sichern, damit sie ihre Überfälle auf die Überreste des
Kalifenreiches unternehmen konnten.
    Ein Haus, vielleicht auch eine Frau, träumte Amram weiter,
während er sich auf den Rückweg in die Stadt machte, in die massive
Festung mit ihren quadratischen Türmen, die von der Anhöhe des Berges
Djabal Faro auf sie herabblickte und ihren schützenden Schatten auf die
Behausungen warf, die sich auf der Ebene in den Mauerring schmiegten.
Das Klatschen der Wellen, der Duft des Geißblatts und Jasmins, der von
den Palastgärten zu ihm herüberwehte, all das versetzte ihn in
Hochstimmung.
    Um so mehr erschrak er, als er gewahr wurde, wie Joseph ibn
Aukal beinahe im Laufschritt über den sandigen Weg zwischen der
Stadtmauer und dem Meer auf ihn zugeeilt kam, das makellose weiße
Gewand um die Knöchel raffend, um sich schneller fortbewegen zu können.
    »Unheil ist über deine große Stadt Córdoba hereingebrochen!«
rief er, als er in Hörweite war. Er zog einen Brief aus der Tasche
seiner Djellaba, wedelte wild damit in der Luft herum, während er
atemlos fortfuhr: »Die Gerüchte, die während der letzten paar Tage im bedestan umgegangen sind, sind gar nichts verglichen mit der
Wirklichkeit, die mir einer meiner Kunden in diesem Brief beschreibt.
Die Belagerung der Stadt durch die Berber war erfolgreich. Sie zwangen
die Einwohner durch Aushungern in die Knie, obwohl diese tapfer
beteuert hatten, sie wollten lieber sterben, als unter Berberherrschaft
gelangen. Beim Eindringen in die Stadt verübten die Barbaren dann
Massaker, die sich jeder Beschreibung entziehen. Säuglinge wurden in
den Armen ihrer Mütter dahingeschlachtet, ehrwürdige Theologen wurden
beim Betreten ihrer Studienhäuser von hinten erdolcht, ihr weißes Haar
färbte sich rostrot vom Blut, das aus ihren Wunden troff. Wenn sie von
einer Frau wußten, daß sie ein Vermögen besaß, hängte man sie so lange
an ihren Brüsten auf, bis sie das Versteck verriet. Was die
Plünderungen angeht, so überlasse ich das Eurer Vorstellungsgabe.
Sobald ein jeder Gegenstand von einigem Wert aus den Häusern der
Reichen gestohlen war, setzten sie die Villen und Gärten in Brand.
Alles, was von den herrlichen Wohnhäusern in den westlichen Vorstädten
noch übrig ist, sind rauchende Ruinen, zwischen denen um Mitternacht
die Schakale heulen.«
    Amram erbleichte. »Wo finde ich das schnellste Roß von
Málaga?« rief er und umklammerte den Arm des Händlers mit eisernem
Griff.
    »Überlaßt das mir.«
    Amram legte den Viertagesritt nach Córdoba
in weniger als drei Tagen zurück. Unermüdlich sprengte er durch die
sanfte Hügellandschaft, blind für alle Schönheit – das zarte
Grün, den hauchdünnen Schleier des Frühlings, auf den eine Vielzahl
bunter Blüten gestreut war, die der erbarmungslose Sommer noch nicht
hatte verdorren lassen. In seiner Bitterkeit hätte er wahrscheinlich
sogar diese

Weitere Kostenlose Bücher