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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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trügerischen Wert weltlicher Güter zu
kennen. Im Angesicht der Krankheit sind alle Menschen gleich, sagte er,
und ihr Vermögen ist ihnen weder von Nutzen, noch tröstet es sie. Er
hätte kein Recht, aus ihrem Leid Vorteil zu schlagen. Zu sehen, wie
seine Patienten von ihrem Krankenbett aufstanden und wieder ein
normales Leben aufnahmen, das war ihm mehr wert als ein Dutzend Truhen
voller Gold.
    Und wo blieb bei all dem seine Mutter? war Amram oft zu fragen
versucht. Mit den Jahren hatte er beobachtet, daß sein Vater so sehr in
seine Beobachtungen und Forschungen vertieft war, daß er ihre Gegenwart
beinahe vergaß. Dalitha bewunderte ihren Mann wie eh und je und äußerte
nie ein Wort des Protests. Sie verlor sich einfach in ihren
Übersetzungen. Doch seine Vernachlässigung ließ ihre Augen immer
trauriger werden und ihre Erscheinung vor der Zeit altern. Nicht einmal
Amram wagte es jedoch, in diesen heiklen Bereich einzudringen,
genausowenig wie Hai es gewagt hatte, die intimsten Gefühle seiner
Mutter im Zusammenhang mit seiner Geburt zu erfragen.
    Nach diesen unguten Gesprächen zwischen Vater und Sohn verfiel
Hai stets in tiefe Melancholie, und Amram war voller bitterer Vorwürfe
für die ausschließliche Hingabe seines Vaters an die Wissenschaft und
die Medizin. Aus all dem, was er während seiner Streifzüge durch die
Straßen von Córdoba in sich aufgenommen hatte, war ihm mehr als klar
geworden, daß das Kalifat von Córdoba bei all seiner Macht und
Herrlichkeit nur so lange überleben konnte, wie ein starker Herrscher,
den niemand anzugreifen wagte, auf dem Thron saß. Beim kleinsten Riß,
der sich in der Führung offenbarte, würde das Reich zerfallen, sich in
die verschiedenen Elemente auflösen, aus denen es sich zusammensetzte
und die untereinander erbittert streiten würden, um ein Stück für sich
zu ergattern.
    Was hatten, so fragte Amram seinen Vater, die blutrünstigen
Berbersöldner, die al-Mansur aus Nordafrika zur Verstärkung seines
Heeres herbeigeholt hatte, mit den Slawen aus Osteuropa gemein,
früheren Sklaven, die in die oberen Ränge der Verwaltung aufgestiegen
und damit mächtig geworden waren? Und wie betrachteten die Andalusier,
die immer hier gelebt hatten, diese beiden Gruppen von Fremden, die
sich in ihrem Lande niedergelassen hatten und dabei fett geworden
waren? Wenn die Zeit reif war, würden diese drei Bevölkerungsgruppen
einen unerbittlichen Kampf gegeneinander führen, in dem es um einen
Teil der riesigen Territorien ging, die die Omaijaden ausgeraubt
hatten, aber nun nicht mehr zu regieren vermochten. Wenn er weder
Einfluß bei Hof noch ein Vermögen hatte, mit dem er sich Schutz
erkaufen konnte, wie wollte sich Hai dann in den schwierigen Zeiten,
die bevorstanden, verteidigen?
    »Ärzte sind in solchen Zeiten noch gefragter als sonst. Ihr
Beruf schützt sie«, erwiderte Hai dann unweigerlich.
    »Ich kann Blut und Eiter nicht aushalten. Ich werde meine
Zukunft auf andere Weise sichern.«
    »Jeder Mensch muß seinen natürlichen Neigungen folgen«,
murmelte Hai, »aber welchen Beruf du auch wählst, mein Sohn, übe dich
in Bescheidenheit. Das ist der Preis für das Überleben.«
    Niedergedrückt vom Kummer über die Revolte seines Sohnes,
wandte sich Hai dann dem sanften Natan, seinem anderen Sohn, zu, von
dem er spürte, daß er einmal in seine Fußstapfen treten würde.
    Al-Mansur starb, wie er gelebt hatte. Er tat
seinen letzten Atemzug bei der Rückkehr von einem weiteren Sieg über
seine kastilischen Vasallen, einem Feldzug, dem die symbolische
Schleifung des geheiligten Schreins der Christen in Santiago de
Compostela vorausgegangen war. Als die Nachricht von seinem Tode
Córdoba erreichte, verkündete Amram seinen Entschluß, das Elternhaus zu
verlassen. Obwohl Hai von tiefer Trauer erfüllt war, war er doch
überzeugt, daß sein Erstgeborener wie der Verlorene Sohn wieder zu ihm
zurückkehren würde. Doch Amram wußte, das würde niemals geschehen.
    Zum Abschied enthüllte Hai Amram das Geheimnis der genauen
Zusammensetzung des Großen Theriak und gab ihm den Rat, dieses Mittel
vorbeugend zum Schutz gegen die Pest anzuwenden. »Dieses Wissen, mein
Sohn, könnte sich sehr wohl einmal als dein bester Schutz
herausstellen.«
    Obwohl Amram seinem Bruder so fremd war wie eh und je, mußte
Natan doch weinen, als er ihn davonziehen sah.
    In das unverwechselbare dunkle Gewand des
Hauses Ibn Yatom gekleidet, zog Amram ben Hai ben Da'ud ibn Yatom durch
die Provinzen von

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