Die Zypressen von Cordoba
Seele, bald schon
kommt der Tag,
An dem auch ich zu ihnen mich geselle und ihr Schicksal teile.
Der stete Rhythmus der Zeilen ließ Habbus
in einen friedlichen Dämmerschlaf sinken, und nachdem die letzten Worte
in der Stille des Gemachs verklungen waren, ging Amram auf Zehenspitzen
aus dem Zimmer. Er spürte, wie eine Trauer, die er nicht erwartet
hatte, in ihm aufstieg und ihn zu ersticken drohte.
Wie benommen trat er in die Marmorflure des großartigen neuen
Palastes. Doch als er bemerkte, wie Gruppen von intrigierenden
Würdenträgern verstummten und sich zerstreuten, sobald er sich näherte,
wurde ihm klar, daß es dringlichere Dinge gab als seinen Schmerz.
Jetzt, da Granada sich kopfüber in den Kampf um die Nachfolge des
Habbus stürzen würde, war die Zeit gekommen, den Plan umzusetzen, den
er so fein erdacht hatte. Alle Elemente waren nun vorhanden, er war
bereit zur Tat. Er bedachte sorgfältig die Schritte, die es
unverzüglich auszuführen galt, war also wenig geneigt, auf die
liebevollen Gesten einer Frau einzugehen, als er in das abgelegene
Wäldchen schritt. Beim Anblick von Rasmia, die zerbrechlich und
verloren auf der Bank saß, konnte er aber Habbus' letzten Wunsch nicht
vergessen, weniger noch seine Warnung: es sei unfreundlich, ihre
Gefühle zu verletzen, und unklug, ihren Stolz zu verwunden …
Also nahm er die Hände, die sie ihm zum Willkommen entgegenstreckte, in
die seinen und küßte ihr mit einer rührenden Mischung aus Galanterie
und verführerischem Zauber die Handflächen.
»Ich wußte, daß Ihr kommen würdet. Ich wußte, daß mein
Vertrauen in Euch gerechtfertigt war«, sagte sie mit bebender Stimme.
»Mein Onkel hat mir Euren Plan unterbreitet, und ich habe ihm und
anderen Mitgliedern meiner Familie, die noch zögern und in deren Macht
es läge, Eure Pläne zu durchkreuzen, zu verstehen gegeben, daß sie Euch
volles Vertrauen schenken können. Aber nun müßt Ihr mich vor den
Risiken beschützen. Bleibe ich in Granada, so ist mein Leben in Gefahr,
ob Ihr nun gewinnt oder verliert. In jedem Falle wird man mich
verdächtigen, und Eure Feinde werden versuchen, mich zu töten. Auch in
Málaga bin ich nicht mehr sicher, sollten sich die Dinge gegen Euch
entwickeln.«
Bei all seiner weisen Voraussicht, bei all seinen klugen
Plänen hätte Amram diese Entwicklung nicht vorausahnen können. Was war
bloß in den Kalifen von Málaga gefahren, daß er dieses Kind in ihren
gemeinsamen Plan eingeweiht hatte? Zweifellos das Bedürfnis des
Schwächlings, der stets nach Zustimmung heischt, gleich von welcher
Seite. Aber mit dieser Indiskretion hatte der Hammudide genau die
Situation geschaffen, die Amram hatte vermeiden wollen, seit ihm Rasmia
ihre Liebe erklärt hatte. Nun stand er nicht nur in ihrer Schuld für
eine Hilfe, die er nicht verlangt hatte. Der Erfolg – oder
Mißerfolg – der wichtigsten Unternehmung seines Leben hing
jetzt von ihr ab. So wie sie ihren Verwandten geraten hatte, ihm zu
vertrauen, genauso konnte sie ihnen auch zum Gegenteil raten und damit
die Erfüllung seines kühnsten, ehrgeizigsten Traums zunichte machen:
oberster Herrscher über ein Gebiet zu werden, in dem nur sein Wort
galt. Aber jetzt war keine Zeit für Vorwürfe. Ihm blieb keine andere
Wahl, als Rasmias Bitte zu erfüllen. Er konnte ihr nur dort Zuflucht
bieten, wohin er auch schon Leonora und den kleinen Musa geschickt
hatte, sobald sich die Nachricht von Habbus' bevorstehendem Tod
verbreitet hatte.
»Aber natürlich«, versicherte er ihr. »Sobald ihr die
Nachricht erhaltet, daß Habbus verschieden ist, legt Ihr Euer
schlichtestes Gewand an und kommt unter dem Vorwand, mit Eurer Trauer
allein sein zu wollen, hierher. Es wird Euch jemand hier abholen und
auf Eurem Weg begleiten.«
»Wohin?«
»In Sicherheit. Mehr braucht Ihr nicht zu wissen.«
»Und diese Person wird bei mir bleiben und mich beschützen und
mich zu Euch bringen, wenn Ihr nach mir schickt?«
»Wenn das Euer Wunsch ist.«
Rasmia zog ihn nah an sich, preßte ihren kleinen,
wohlgerundeten Körper an den seinen, hob die Hände und fuhr ihm mit den
Fingern übers Gesicht, verschlang ihn mit Augen. »Wenn sich die Dinge
schlecht für Euch entwickeln sollten, mein Liebster, dann sehe ich Euch
vielleicht niemals wieder. Wollt Ihr mich nicht einmal lieben, hier und
jetzt, nur einmal, damit ich eine Erinnerung an Euch behalte, an der
ich mich erfreuen kann? Ist das zuviel verlangt als Lohn für die
Gefahren, die ich für Euch auf mich
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