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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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der
vertrauensvollen Unschuld seines erstgeborenen Sohnes Musa, der auf ihn
zugerannt kam, um von den starken Armen seines Vaters emporgehoben zu
werden. Das Streicheln seiner sanften Patschhände im Nacken, seine
Freude über die Rückkehr des Vaters, all das konnte einen Augenblick
lang die Sorgen aus seinen Gedanken verbannen. Amrams andere Quelle des
Trostes waren die Gedichte, die er verfaßte, Zeilen, in die er all die
Bitterkeit fließen ließ, die an ihm nagte.
    Soll ich für immer, einem Beduinen
gleich, im Zelte leben?
All meine Tage hinter dieser Zeltbahn nun verbringen?
Zeit und Wildnis haben mich die Freunde längst vergessen lassen.
    Nachdem er Zeuge geworden war, wie in einer
Schlacht am Genil unzählige tapfere Männer niedergemetzelt wurden, wie
der Kopf des Sohnes seines Erzfeindes, des Kadi Abbad von Sevilla, mit
einem einzigen Hieb abgetrennt und im Triumph nach Granada getragen
wurde, schrieb er:
    Am Anfang gleicht der Krieg der
schönen Jungfer, mit der zu
kosen alle Männer Sehnsucht hegen,
    Doch stellt er sich heraus als
eine garst'ge Metze, deren
Freier alle unter Schmerzen weinen.
    Als er eines Abends die Feder niederlegte,
nahm Amram noch einmal den Brief in die Hand, der ihn bei der Rückkehr
von einem Gefecht an der Grenze erwartete hatte:
    Mein geliebter Bruder,
    mit großem Stolz und tiefem
Ehrgefühl grüße ich Dich, zunächst als Dein Bruder, aber auch in hohem
Maße im Namen unserer jüdischen Glaubensbrüder auf dem Boden von
al-Andalus. Deine Serie militärischer Triumphe, Deine hohe Stellung als
Wesir am Hofe von Granada, all das schenkt uns Juden ein neues Gefühl
der Würde und stärkt uns in dem uneingeschränkten Vertrauen, daß wir,
sollte unser Volk wieder einmal von schweren Nöten heimgesucht werden,
in Dir einen mächtigen Fürsprecher unserer Sache finden werden. Ach,
stünden doch Deine Begabung als Heerführer und Dein Geschick bei
Verhandlungen, wie es seinesgleichen seit den Tagen unseres verehrten
Großvaters Da'ud nicht gegeben hat, im Dienste eines Landes, das wir
unser eigen nennen können, eines Königreiches wie Chasarien, das auf
unseren Ahnen Da'ud eine solche Faszination ausübte. Müssen wir ewig
auf die Ankunft des Messias warten, ehe dieser Traum Wirklichkeit wird?
Ist die Zeit noch nicht gekommen, daß wir unser Schicksal in die eigene
Hand nehmen?
    Das Leben hier im Landhaus geht
seinen ruhigen Gang. Ralambos Pflanzen haben ihre Kraft bewiesen, die
gleiche unzerstörbare Vitalität, die meiner Meinung nach auch die
Quelle ihrer heilenden Wirkung ist. Sie gedeihen wieder, aber wie Du
weißt, muß ich meine Beobachtungen über die therapeutischen
Eigenschaften des Extraktes beinahe ganz von Anfang an neu beginnen. Es
ist eine mühevolle Aufgabe, die mich manchmal völlig entmutigt, um so
mehr, als mir das Talent zur unfehlbaren Diagnose fehlt, mit dem unser
Vater gesegnet war.
    Wie Du in deinem letzten kurzen
Brief geschrieben hast, ist es wirklich höchste Zeit, daß ich mir eine
Frau suche, aber weißt Du, lieber Bruder, nur sehr wenige Frauen wären
bereit, hier draußen im Schatten der Aloepflanzen inmitten ihrer
stacheligen Klauenblätter zu leben, während ihr Zuhause täglich von
einem nicht abreißenden Strom von Jammergestalten heimgesucht wird, die
sich Linderung ihrer Leiden erhoffen. Unsere Mutter war darin einmalig.
Die Bildung, die ihr Menahem vermittelte, schenkte ihr die Fähigkeit,
sich unabhängig von ihrer Umgebung eine reiche innere Welt zu schaffen,
sich von jenen eitlen Dingen zu befreien, die wir Gesellschaft nennen.
Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und tröste mich inzwischen mit dem
Wissen, daß die Zukunft des Hauses Ibn Yatom durch Dich und Leonora in
so würdiger Weise gesichert ist, wie ich es für mich nie zu erhoffen
wagen würde.
    Möge der Schild Israels Dich bei
all Deinen Unternehmungen beschützen, und mögt Ihr, Du und die Deinen,
noch viele Jahre mit Gesundheit und Stärke gesegnet sein.
    Dein Dich liebender Bruder
Natan
    Amram ließ den Brief aus der Hand gleiten
und schloß müde die Augen. Wie er sich nach dem Frieden und der Ruhe
des Lebens zurücksehnte, das er in seiner Kindheit im Landhaus gekannt
hatte, nach einem Leben, das nicht dem Streben nach Macht gewidmet war,
sondern der Suche nach Wissen. Hatte er sich in seiner Entscheidung
geirrt? Über diese Frage grübelte er oft in Augenblicken der
Niedergeschlagenheit nach, wenn er auch die Antwort nur zu gut kannte.
Richtig oder falsch, dies war das Leben,

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