Die Zypressen von Cordoba
hatten sich geweigert zu
marschieren. Niemals würden sie ihre Schwerter gegen andere Berber
erheben, hatten sie geschworen. Verzweifelt hatte der Kalif ihnen
entdeckt, daß sie das auch nicht tun müßten, da die Truppen von Granada
in alle Winde verstreut wären und die Stadt schutzlos vor ihnen läge.
Vergebens. Wer konnte ihnen garantieren, daß dies nicht eine Falle war,
die Abu Musa gestellt hatte, eine Hinterlist, wie sie von ihm schon
viele gesehen hatten, als sie unter seinem unbesiegbaren Befehl
gekämpft hatten? Er würde sie nach Granada locken, dann bis auf den
letzten Mann niedermetzeln und damit nicht nur über Granada, sondern
auch noch über Málaga herrschen. Nein. Ganz bestimmt nicht. Sie würden
nicht marschieren. Alles Gold des Kalifen könnte sie nicht umstimmen.
Amram zündete eine Kerze an und hielt den Brief in die
Flammen, bis die Asche, zart wie verbrannte Falter, zu Boden schwebte.
Dann verließ er in der hereinziehenden Dunkelheit die Stadt.
Die ganze Nacht hindurch, während er seinem
Pferd auf der Straße nach Córdoba die Sporen gab, gestattete er sich
keinen Gedanken. Er ritt vier Tage und vier Nächte, trieb sein Roß
erbarmungslos an, legte nur ab und zu eine kurze Rast am Wegesrand ein,
wenn ihn die Müdigkeit übermannte. Als die vertrauten Umrisse seines
Zuhauses vor ihm in der bleichen Morgendämmerung auftauchten, begann
sein Herz zu klopfen wie nie zuvor, so hatte es nicht einmal am
Vorabend der entscheidenden Schlachten geklopft, die er geschlagen
hatte. Leonora und der kleine Musa waren sicher dort geborgen, das
wußte er. Aber Rasmia? War sie auch da? Oder hatte sie den Wachtposten,
den er ihr mitgegeben hatte, bestochen, mit ihr nach Málaga zu reisen,
so daß sie dort ihren verletzten Stolz an ihm rächen konnte? Joseph
hatte sie in seinem Brief nicht erwähnt, aber das bewies nichts, denn
er wußte ja nichts von ihrer Rolle in dieser Angelegenheit. Hatten sich
die Berber wirklich aus eigenem Antrieb geweigert, die Waffen gegen
andere Berber zu erheben? Oder hatte Rasmia heimtückisch Gerüchte
verbreitet, Amram liege im Hinterhalt und wolle sie alle niedermetzeln?
Völlig erschöpft klopfte er an die Tür des Landhauses, wie es
vor ihm schon zwei Generationen leidender Menschen, die Hilfe suchten,
getan hatten. Natan brauchte eine Weile, ehe er in der hageren,
staubverkrusteten Gestalt, die da beinahe auf seiner Schwelle
zusammensackte, den erhabenen Wesir von Granada, seinen Bruder Amram,
erkannte.
»Was in Gottes Namen …?« stammelte er.
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Sag mir nur, ist Rasmia, die
Prinzessin aus Málaga, hier bei euch?«
»Eine Prinzessin aus Málaga?« fragte Natan ein wenig bestürzt,
und sein Ton verriet die Sorge, daß der Bruder den Verstand verloren
hatte.
Erst jetzt geriet der unerschrockene Heerführer ins Taumeln,
war nur noch ein verzweifelter, am Boden zerstörter Mann, der vor
Müdigkeit, Enttäuschung und dem galligen Geschmack des Mißerfolgs
bittere Tränen vergoß.
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N atan stand still neben seinem Bruder, bis
die krampfhaften Schluchzer abebbten. Als Amram schließlich den Kopf
hob und ihn anblickte, zeichneten sich auf seinem Gesicht nur
Hilflosigkeit und Scham ab. Erst jetzt half ihm Natan – mit
dem tiefen Mitgefühl, das er von seinem Vater Hai geerbt
hatte – wieder auf die Beine. Er legte ihm den Arm fest um die
Schulter, führte ihn ins Haus und brachte ihn in das Zimmer, wo er als
Kind so viele Stunden mit seinen Zinnsoldaten gespielt hatte. Der Raum
war jetzt beinahe kahl und leer, die Verwüstung Córdobas hatte auch
hier alle Spuren jener glücklicheren Zeit ausgelöscht. Nur die Wände
standen noch, die Natan weiß getüncht hatte, als er dem Haus wieder den
Anschein eines normalen Alltags zu geben versuchte. Sanft breitete er
eine leichte Decke über den erschöpften Bruder, eilte dann in die
Apothekenkammer und holte Wein, der Amrams Erschöpfung lindern sollte.
Zwischendurch weckte er seinen freundlichen, aber faulen Hausdiener,
der noch in der Morgenwärme döste, und bat ihn, ein Bad vorzubereiten.
Bis das Wasser warm war, war Amram allerdings fest eingeschlafen.
Als Leonora aufwachte, überbrachte ihr Natan vorsichtig die
Neuigkeiten und fuhr dann fort: »Ich weiß nicht, warum er dich
hierhergeschickt hat und was geschehen ist. Aber er ist offensichtlich
einer Todesgefahr entronnen. Am besten bleibst du mit dem kleinen Musa
heute im Haus, falls seine Feinde ihn verfolgen. Wenn nötig, kann
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