Die Zypressen von Cordoba
genommen habe?«
Amram kochte vor Wut, in ihm tobte ein teuflisches Gemisch aus
Zorn und Verlangen. Er saß in einer Falle, in die er um alles in der
Welt nicht hatte geraten wollen. Jetzt hatten Habbus' letzte Worte eine
neue Bedeutung für ihn bekommen: »Es wäre unklug, ihren Stolz zu
verwunden.« Aber Habbus wußte nichts von seinen Plänen. Die
entscheidende Frage war jedoch: Wieviel wußte sie? Wieviel hatte ihr
Onkel ihr enthüllt? Kannte sie Einzelheiten oder nur die allgemeinen
Ziele? Wieviel konnte sie verraten, wenn ihr Stolz verletzt war? Und
wieviel mehr könnte sie noch von ihm zu erfahren suchen, in jenem
ekstatischen Höhepunkt der Liebe, wenn ein Mann für Augenblicke völlig
schutzlos ist? Viele Große und Mächtige waren in der sinnlichen
Atmosphäre des Harems dieser Versuchung schon erlegen. Diese Gefahr
mußte er um jeden Preis vermeiden. In einem verzweifelten Versuch, sich
aus diesem Dilemma zu befreien, raffte er all seine Überzeugungsgabe
zusammen und legte in seine Stimme die zärtliche Sorge, für die sein
Vater so bekannt gewesen war.
»Bisher habt Ihr mir doch vertraut, nicht wahr?«
»Blind.«
»Dann vertraut mir bis zum Ende, mein Täubchen. Mein Leben
lang folge ich schon einer eisernen Regel: niemals am Vorabend einer
entscheidenden Konfrontation eine Frau zu berühren. Die Liebe verwirrt
mir die Sinne, umwölkt meinen Verstand und schwächt meine Wahrnehmung.
Der Erfolg, mit dem meine Unternehmungen bisher gekrönt waren, beweist,
wie klug dies ist. Ich schwöre Euch nun bei dem unverbrüchlichen Band,
das uns beide in diesem Augenblick vereint, daß ich Euch, sobald ich
siegreich aus diesem Kampf, meinem größten, hervorgehe, lieben will,
wie Ihr es Euch niemals erträumt hättet. Denn auch in dieser Kunst, wie
in allem, was ich tue, erstrebe ich höchste Vollendung. Eure Liebe, für
die Ihr mir so überzeugende Beweise gegeben habt, wird in den kommenden
Tagen mein Schutz und Schild sein. Im Triumph, das schwöre ich Euch,
soll dann meine Leidenschaft die Eure noch übertreffen.«
Einen kurzen Augenblick nahm er sie in die Arme, küßte sie
zart auf die Stirn und verabschiedete sich. Während er sich entfernte,
war er sich nicht sicher, ob er ihre kindlichen Gefühle verletzt oder
ihren weiblichen Stolz – den Stolz der Liebenden –
verwundet hatte. Er wußte nur, daß diese von allen Gefahren, denen er
bald ins Auge sehen mußte, die ernsteste war. Diesmal hatte nicht er
die Initiative ergriffen und diese Wendung daher auch nicht in seine
Pläne einbezogen. Sein Leben lang hatte ihm seine Beredsamkeit gute
Dienste geleistet. Gebe Gott, daß sie ihn auch diesmal nicht im Stich
gelassen hatte …
Amram versuchte, seine nagenden Zweifel zu verdrängen, während
er mit raschen Schritten über den Grat zwischen dem Palast und der
Festung ging. Dort versammelte er seine obersten Heerführer um sich und
erklärte ihnen knapp, um einen Angriff der Sevillaner zu vereiteln, die
vielleicht die Verwirrung nach Habbus' Tod ausnutzen würden, müßten sie
sich unverzüglich mit dem größten Teil des Heeres an den
verletzlichsten Grenzen des Reiches in Verteidigungsstellung begeben.
Er selbst wolle die Garnison befehligen, die zum Schutz der Hauptstadt
zurückblieb. Man pries seine Weitsicht, und als die Heerführer
auseinandergingen, um seine Befehle auszuführen, setzte er sich nieder,
um einen Brief an Joseph ibn Aukal zu verfassen. Er versicherte seinem
Schwiegervater, seine geliebte Tochter Leonora und sein Enkel Musa
seien wohlauf, und lud ihn ein, bald einmal zur Feier des Sabbats nach
Granada zu kommen. Er schickte das Schreiben mit einem zuverlässigen
Boten fort. Nachdem er wenige Stunden später die Truppen vor dem
Abmarsch aus der Stadt inspiziert hatte, blieb ihm nichts mehr zu tun
als abzuwarten.
Habbus' Todeskampf zog sich noch eine ganze
Woche hin, und seine Schmerzen waren so groß und andauernd, daß sogar
die, die ihn liebten, beteten, er möge bald von seinen Leiden erlöst
werden. Sobald die Nachricht von seinem Tode verkündet wurde, schickte
man in alle benachbarten Reiche Kuriere aus, um von dort Vertreter zu
seiner Beerdigung einzuladen. Inzwischen stellten sich die Würdenträger
Granadas hinter ihre jeweiligen Kandidaten für die Thronfolge. Alle
außer Amram, der sich zu keinem bekannte. In der Abgeschiedenheit der
beinahe völlig verlassenen Festung hielt er sich von allen Ränken und
Intrigen fern, als sei es seine einzige Sorge, das Königreich
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