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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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hatte, hatte plötzlich eine Eingebung, eine gewagte neue
Idee, die sehr wohl das Leben des Kalifen retten könnte –
vielleicht auch sein eigenes. Ohne einen Augenblick zu zögern, äußerte
er diesen Gedanken.
    »Erlaubt mir, o Herrscher der Gläubigen, Euch in meiner
Eigenschaft als Hofarzt folgenden Rat zu geben: Wenn Ihr Euch im
Verlaufe des Feldzugs der Gefahr eines Schlangenbisses besonders
ausgesetzt wähnt, so nehmt vorbeugend das Viertel eines Schekels vom
Großen Theriak ein.« Im gleichen ruhigen Ton fuhr er nun fort, dem
Kalifen das übliche Verfahren nach der Vergiftung durch einen
Schlangenbiß zu erläutern. »Wenn Euch, der Himmel möge es verhüten,
eine Schlange gebissen hat, so zieht eine Abbindeschnur oberhalb des
Einbisses so fest wie möglich zu, um zu verhindern, daß das
Schlangengift sich im gesamten Körper ausbreitet. Dann nehmt ein
Schekel des Großen Theriak ein und streicht noch diese Paste aus Bezoar
auf die Wunde. Wenn Ihr so vorgeht, wird Euch kein Leids geschehen. Was
andere Gifte betrifft, die Euch Eure Widersacher vielleicht zu
verabreichen suchen, so achtet stets darauf, daß Ihr nur Gerichte zu
Euch nehmt, die in Wasser gekocht oder einfach gesotten sind, ohne
Zugabe von Farbstoffen oder Gewürzen oder Zucker, die den Geschmack,
Geruch oder Anblick von Gift verschleiern. Weiterhin, wenn Ihr den
Verdacht hegt, daß jemand plant, Euch zu vergiften, so laßt ihn oder
jemand anderen eine reichliche Portion des Essens genießen, das auch
Euch gereicht wird, nicht nur einen Mundvoll, wie es oft gehandhabt
wird. Wie Ihr wißt, ist der Große Theriak ein Gegenmittel gegen Gifte
aller Arten, nicht nur das der Schlange.«
    »Euer Rat kommt zur rechten Zeit, mein gelehrter Freund.
Mustapha«, rief er seinen Eunuchen, »verbirg diese Korbflasche unter
meinem persönlichen Gepäck und bewache sie mit deinem Leben.«
    »Ich würde respektvoll vorschlagen«, drängte Da'ud, »daß Ihr
einen Teil der Flüssigkeit in einige kleine, unzerbrechliche Phiolen
abfüllt, am besten solche aus Gold, die jeweils ein Schekel des Mittels
enthalten. Eine solltet Ihr stets mit Euch führen, die anderen verteilt
unter Eurer persönlichen Habe. So könnt Ihr stets sicher sein, daß Ihr
im Laufe des Feldzuges einen Vorrat zur Hand habt.«
    »Es soll geschehen, wie Ihr es uns ratet. Aber kehrt nun zu
Euren Studien zurück, ehe neugierige Augen Euch erspähen.«

10
    I n der Abgeschiedenheit der vertrauten
Bibliothek fiel die mutige Haltung, die er in der Gegenwart des Kalifen
gewahrt hatte, von Da'ud ab. Zutiefst besorgt, schritt er im Raum auf
und ab. Seine Befürchtungen wuchsen noch, als ihm die volle Bedeutung
seines zufälligen Zusammentreffens mit Abu Bakr klarer wurde. Wieder
einmal schwebte er in Lebensgefahr, doch diesmal stand es nicht in
seiner Macht, sich selbst zu verteidigen. Sein Schicksal lag nun in den
Händen anderer, entzog sich seiner Kontrolle. Welches Übel dem Kalifen
im Verlauf des bevorstehenden Feldzugs auch widerfuhr – die
Möglichkeiten waren endlos –, ihm würde man die Schuld dafür
geben. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Kräfte des Großen
Theriak sich wirklich zeigen würden, wäre er von jeglichem Verdacht
befreit. Einer plötzlichen Eingebung folgend, hatte er zusätzlich zur
vorbeugenden Einnahme des Gegenmittels geraten, doch diese Methode war
nicht erprobt, nicht überprüft, und daher war der Erfolg nicht
gewährleistet. Wieder einmal blickte er in die häßliche Fratze, die
Kehrseite der höfischen Ehrungen. Wenn das der Preis war, dann war er
nur zu gern bereit, darauf zu verzichten.
    Oh, wie er sich danach sehnte, jetzt den Kopf zwischen Saris
sanft gerundete Brüste zu betten, dort in ihrer Liebe Trost und
Sicherheit zu suchen, wie ein erschrecktes Kind Sicherheit in der
warmen Umarmung seiner Mutter sucht. Wie lange mußte er ihre passive
Ablehnung noch erdulden, ihre Weigerung, seine Kinder zu gebären? Es
war, als unterzöge sie ihn einer langen, mühsamen Prüfung seiner
Beharrlichkeit. Doch wo er früher einmal überzeugt gewesen war, daß die
Kraft seiner Liebe in ihr eine Antwort erwecken würde, schwand
inzwischen sein Zutrauen zu dieser Kraft. Wie lange noch mußte er seine
Leidenschaft zügeln, um die Aufrichtigkeit seiner Zuneigung unter
Beweis zu stellen? Während bei Hof die Spannung wuchs und auch seine
Nerven stets aufs äußerste gereizt waren, schwand allmählich auch seine
Geduld mit ihrer Widerspenstigkeit und mit ihr die

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