Die Zypressen von Cordoba
reichte. Der beschloß,
seine Frau sofort zur Ader zu lassen, um sie von dem Überschuß übler
Körpersäfte zu befreien, der ihr die Infektion und das heftige Fieber
verursacht hatte. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie stark genug
war, um diese Behandlung auszuhalten, band er ihr das Bein über dem
Knie ab, ehe er mit dem Messer einen Einschnitt in der Kniekehle
machte. Er führte das scharfe Instrument so geschickt, daß sie kaum den
Schmerz des Schnittes spürte. Die Farbe des Blutes schien gesund. Er
stillte den Blutfluß, ehe er ihren Körper zu sehr schwächte. Seine
Handbewegungen waren so geschickt und sanft, daß sie nicht einmal
bemerkte, wie er die Wunde versorgte.
»Du bist sehr tapfer«, lächelte er zu ihr herab.
Endlich zeichnete sich in ihren meerblauen Augen ein Schimmer
des Erkennens ab. Dann flüsterte sie ganz schwach: »Malka, Malka, hilf
mir auf den Abort.«
»Ich helfe dir«, antwortete Da'ud. »Als dein Arzt muß ich
deinen Urin sehen.«
Zu schwach, um sich dagegen aufzulehnen, ließ Sari zu, daß er
sie aufrichtete und stützte, während sie langsam den Flur zum Abort
entlangging. Dabei preßte sie die Beine fest zusammen, um dem Schmerz
Einhalt zu gebieten, den sie verspürte. Wimmernd quetschte sie einige
wenige Tropfen heraus, die Da'ud in einem Fläschchen auffing. Zu seiner
großen Erleichterung war darin kein Blut zu sehen. Ein kühlendes
Astringenz aus Sauerhonig mit viel Essig auf wenig Honig, ein wenig
Zimt, um die schlechten Körpersäfte aufzulösen, und es sollte ihr am
nächsten Morgen schon besser gehen.
Den Rest des Tages wich er nicht von ihrer Seite, beobachtete
aufmerksam, ob sich ihr Zustand verschlechterte, streichelte ihr die
Hand, kühlte ihr die fieberheiße Stirn, führte ihr Wasser an die
Lippen. Gegen Abend, als ihre Temperatur wieder anstieg, gab er ihr
zusammen mit dem Sauerhonig ein mildes Beruhigungsmittel aus Mohnsamen.
Er ließ eine Matratze hereinbringen und legte sich neben ihr auf den
Boden, nickte ein wenig ein. Bei der geringsten Regung fuhr er auf,
versicherte sich, daß das Fieber nicht noch mehr gestiegen war,
überprüfte, ob sie noch bequem lag, und verfiel dann wieder in
unruhigen Schlaf.
Sie erwachten beide beim ersten Schimmer des Morgens.
»Besser?« erkundigte er sich leise, während er ihr Hals und
Stirn befühlte, die nun viel kühler waren.
»Viel besser, danke. Ich dachte, ich müßte sterben.«
»Nicht als meine Patientin.«
»Die ganz Nacht hindurch habe ich gespürt, daß du bei mir
warst.«
»So sorge ich für die Menschen, die ich liebe.«
»Liebe«, murmelte sie, »da sein, aufpassen, Sicherheit
schenken. Ist es das, was du Liebe nennst?«
»Das und mehr.«
»Vielleicht begreife ich es allmählich.«
»Und ich verstehe nun, wie es kommt, daß du dergleichen nicht
kennst.«
Sie warf ihm einen fragenden, beinahe furchtsamen Blick zu.
»In deinem Fieberwahn hast du ein wenig von den Greueln
verraten, die du in deinen Kinderjahren zu erleiden hattest.«
»O Gott!« stöhnte sie, und Tränen rannen ihr über die bleichen
Wangen.
»Warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Weil ich mich geschämt habe und weil ich all das unbedingt
vergessen wollte.«
»Wer waren diese Männer?«
»Freunde des alten Witwers, der mich als Säugling gefunden
hat, ausgesetzt beim Grab seiner Frau auf dem Prager Friedhof. Er hat
mich bei sich aufgenommen und aufgezogen, und später hat er dann seine
Schuld von mir eingetrieben, indem er …«
»Ruhig, Liebes. Der Rest ist mir klar. Du brauchst nie mehr
daran zu denken oder davon zu sprechen. Ich schäme mich, daß ich dich
belästigt habe, sei es auch noch so wenig. Ich schwöre, ich werde dich
nie wieder auch nur mit einem Finger berühren. Es sei denn, du suchst
meine Nähe aus freien Stücken, dann komme ich gern zu dir.«
Sari schloß die Augen, und ein Ausdruck tiefster
Zufriedenheit, wie sie dergleichen noch nie im Leben verspürt hatte,
durchglühte ihr zartes, schimmerndes Gesicht. Wie ungeheuer erleichtert
mußte sie sich fühlen, nachdem sie sich ihm anvertraut hatte! Und nun,
da die unsichtbare Schranke gefallen war, die zwischen ihnen gestanden
hatte, würde sie vielleicht mit der Zeit aus eigenem Antrieb zu ihm
kommen, und sie würden zusammen das Lebens glück erreichen, das er
immer so ersehnt hatte.
Die neue innig vertraute Bindung, die jetzt zwischen Da'ud und
seiner Frau wuchs, hielt ihn während der folgenden Tage und Wochen
aufrecht. Allerdings enthüllte er
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