Die Zypressen von Cordoba
Euren Gewändern
verborgen? In Kriegszeiten nutzt Euch Eure viel gepriesene
Gelehrsamkeit nichts mehr.« Damit drehte sich Abu Bakr um und machte
sich auf den Weg zum Haupteingang des Palastes.
Da'uds Gedanken rasten, als er die Bibliothek betrat. Es
blieben ihm nur Sekunden, eine Methode zu finden, wie er sich aus dem
Netz der Intrigen befreien konnte, das sich um ihn gelegt hatte, als er
es am wenigsten erwartete. Welch besseres Alibi hätten sich die
heimlichen Helfer Leons, die am Hofe des Kalifen lebten, denn wünschen
können? Wenn am Vorabend der entscheidenden Schlacht ein Attentat auf
Abd ar-Rahman ausgeführt würde, brauchten sie nur ihn zu beschuldigen,
er habe heimlich ›nicht überwachte Heilmittel‹ in den Palast
geschmuggelt, und schon stünde er im Verdacht des Königsmordes. Sollte
er den Kalifen von dem Vorfall unterrichten, schon vorab seine Unschuld
demonstrieren? Das war genauso riskant, wenn man überlegte, wie
peinlich Abd ar-Rahman darum bemüht war, das Gegenmittel und alles, was
damit zusammenhing, geheimzuhalten. Als Mustapha ihn wiederum durch das
Labyrinth der Türen und Korridore führte, wurde Da'ud klar, daß er in
der Falle saß, daß tödliche Gefahr lauerte, wohin er sich auch wandte.
Mit geschmeidigen Schritten bewegte sich der Eunuch vorwärts. Er
öffnete eine kleine Tür und wies Da'ud ins Gemach des Kalifen. Als er
über die Schwelle trat, erhaschte Da'ud noch einen kurzen Blick auf
Scharlachrot, auf den Saum von Abu Bakrs Gewand, das gerade durch die
Haupttür auf der Gegenseite verschwand. Das bewog ihn, sofort zu
handeln.
Er reichte Abd ar-Rahman die Korbflasche, stand aufrecht vor
ihm und begann: »Ich bitte um die Erlaubnis zu sprechen, o Herrscher
der Gläubigen. Euer ehrenwerter Steuereintreiber Abu Bakr hat mir
aufgelauert, als ich soeben die Bibliothek betreten wollte, und hat die
Flasche gesehen, die ich unter meinem Mantel verborgen hatte. Auf seine
dringende Befragung antwortete ich, sie enthielte ein von mir
bereitetes schmerzlinderndes Mittel für die auf dem Schlachtfeld
verwundeten Soldaten. Er schien meine Erklärung mit äußerstem Mißtrauen
zu hören, drohte mir wohl sogar. Allerdings ist es mir nicht gelungen,
zu unterscheiden, ob Mißtrauen und Drohung echt oder vorgetäuscht
waren. Ich fürchte …«
»Ihr tut gut daran, zu fürchten«, unterbrach ihn der Kalif
grob. »Ihr setzt Euer Leben aufs Spiel, da Ihr mir die himmelschreiende
Verletzung der Geheimhaltungspflicht gesteht, auf die ich Euch
eingeschworen habe.«
»Darüber bin ich mir im klaren, aber ich setze nicht weniger
aufs Spiel, wenn die Höflinge, die sich mit den Aristokraten von Leon
gegen Euch verschwören, mit anklagenden Fingern auf mich deuten, um den
Verdacht von ihren eigenen verräterischen Taten abzulenken.«
Mit undurchdringlicher Miene lauschte Abd ar-Rahman. Abu Bakrs
Machenschaften waren ihm bekannt, doch die Hinrichtung des
Steuereintreibers würde dem Schatzamt größeren Schaden zufügen als
seinen Feinden. Es würde sich immer irgendein anderer bekehrter Christ
finden, der ihn verraten würde, wenn nur der Preis hoch genug war, denn
ein Mann, der einmal Verrat begangen hatte – an seinen
Freunden, seinem Herrscher oder seiner Religion –, zögert
selten, wiederum Verrat zu üben. Was der besorgte junge Gelehrte, der
da vor ihm stand, nicht wußte: Abu Bakr war sich nicht zu schade, dem
Kalifen wertvolle Informationen über seine Feinde zuzutragen, um ihm
seine Treue zu beweisen. Noch waren sich Da'ud oder Abu Bakr selber im
klaren darüber, daß Abd ar-Rahman den Steuerberater häufig dazu
benutzte, seinen Feinden falsche Informationen in die Hände zu spielen
oder die Kastilianer gegen ihre Herrscher in Leon aufzuwiegeln. Er war
auf der Hut vor dem Ränkespiel des konvertierten Christen und hatte
sich schon längst Methoden erdacht, wie er sie bekämpfen könnte. Eine
einzige Schwäche hatte es in seinen Verteidigungswällen noch gegeben,
seine panische Angst vor Schlangenbissen, die sich in der Schlacht von
Simancas offen gezeigt hatte. Aber auch das war nun dank der kostbaren
Korbflasche vorbei, die er in den Händen hielt. Trotzdem machte Abd
ar-Rahman keinerlei Anstalten, die Ängste Da'uds zu beschwichtigen. Im
Gegenteil.
»Die Zeit wird die Wahrheit ans Licht bringen«, bemerkte er
geheimnisvoll. Niemand, der in seinen Diensten stand, sollte sich je
völlig in Sicherheit wähnen …
Da'ud, dessen Gedanken die drohende Gefahr messerscharf
geschliffen
Weitere Kostenlose Bücher