Die Zypressen von Cordoba
Fähigkeit, die
Enttäuschung länger zu ertragen, die sie ihm bereitete. Vielleicht
sollte er seine Einstellung ändern, weniger Verständnis zeigen, auf
seinem ehelichen Recht bestehen, es von ihr verlangen, sie vielleicht
sogar mit Gewalt nehmen …
Nicolas Ankunft zwang ihn, seine übliche gefaßte Haltung
wieder einzunehmen. Im Laufe des Morgens veranlaßte sein deutlich
bemerkbarer Mangel an Konzentration den Mönch jedoch, sich besorgt nach
seiner Gesundheit zu erkundigen.
»Ich danke Euch für Eure Umsicht. Mir selbst geht es gut. Der
Zustand meiner Frau ist mir Anlaß zur Sorge.«
»Die Leiden der frühen Schwangerschaft?« erkundigte sich
Nicolas, dessen strahlende Augen vor Anteilnahme einen warmen Schimmer
bekamen.
»Das könnte wohl sein«, erwiderte Da'ud und erstickte beinahe
an diesen Worten. Kurz verspürte er das überwältigende Verlangen, aus
seiner begrenzten, bedrückenden Welt auszubrechen, allem zu entfliehen,
genau wie der arme tote Einsiedler an einem einsamen Ort Zuflucht zu
suchen, wo Lügen, Intrigen, Enttäuschung und Gewalt ihn nicht
erreichten.
Nicolas, der Da'uds Verwirrung bemerkte, legte ihm freundlich
die Hand auf den Arm. »So geht doch und kümmert Euch um sie.
Dioskurides hat so lange in der Vergessenheit geschlummert, er mag noch
ein wenig länger warten.«
Da'ud nutzte diesen Vorwand. Mit kräftigen Schritten eilte er
nach Hause, wild entschlossen, Sari mit sich zu reißen, mit ihr zur
Hütte des Einsiedlers zu reiten und dort mit all der Kraft seiner
aufgestauten Leidenschaft die Lebenskraft zu wecken, die in ihr
schlummern mußte. Doch kaum hatte er das Haus betreten, da vertrieb ihm
die ungewohnte, unnatürliche Stille diese Gedanken aus dem Kopf. Es war
etwas geschehen. Es mußte etwas mit Sari sein.
Er fand sie ausgestreckt auf dem Diwan liegend, geschüttelt
von einem heftigen Fieber. An ihrer Seite saß hilflos weinend die
Dienerin Malka.
»Warum hast du nicht unverzüglich nach mir geschickt?« fragte
er zornig.
»Es kam ganz plötzlich über sie, Herr, erst vor kurzer Zeit.
Ich hatte Angst, sie allein zu lassen. Alle paar Minuten verspürt sie
den Drang, Wasser zu lassen, und ich muß ihr zum Abtritt helfen.
Jedesmal, wenn sie Wasser abschlägt, wimmert sie vor Schmerzen.«
»Gut«, murmelte er, um das von panischer Angst erfaßte Mädchen
zu trösten. »Jetzt hör auf zu heulen und gehe in meinem Arbeitszimmer
die Utensilien für den Aderlaß holen«, gebot er ihr, während er sanft
Saris heiße, schlaffe Hand anhob, um ihr den Puls zu fühlen. Bei dieser
Berührung schlug sie wie wild um sich.
»Nimm deine schmutzigen, lüsternen Hände von mir«, rief sie
fiebertrunken. »Du und all deine greisen, geifernden Kumpane. Au!«
schrie sie auf, als erlitte sie unerträgliche Schmerzen, und dann
keuchte sie und drückte die Hände nach oben, als müßte sie ein Gewicht
von sich abwälzen, das sie zu zermalmen schien. Da'ud beugte sich
erneut über sie, diesmal legte er ihr die kühle Handfläche an Nacken
und Wange, um ihre Körpertemperatur zu fühlen. Nun jaulte sie auf, als
würgte sie jemand, und heulte dann: »Nimm dein gräßliches, schlaffes
Ding aus meinem Mund! Macht daß ihr rauskommt, ihr geifernden Tiere,
macht, daß ihr zwischen meinen Beinen rauskommt! Au!« stöhnte sie
wieder, hielt sich die Scham mit beiden Händen. »Raus aus mir! Raus!«
»Barmherziger Gott!« flüsterte Da'ud und sank auf dem Diwan
neben ihr zusammen. Das war es also! Und die ganze Zeit hatte sie
Stillschweigen bewahrt, hatte zugelassen, daß diese Erinnerung ihr
Leben aushöhlte. Das arme, wehrlose Kind, von einem Haufen lüsterner
Greise brutal mißhandelt, die irgendeine perverse Macht verspüren
wollten, die sie mit anderen Mitteln längst nicht mehr erreichen
konnten. Kein Wunder, daß sie sich ihm verweigerte. Allmächtiger,
gütiger Gott, wie sollte er das je an ihr wiedergutmachen? Wie sollte
er ihre verwundete Seele heilen, wie die schreckliche Verletzung an
Körper und Geist lindern? Er beobachtete sie einige Sekunden ganz
genau, wie sie sich hin und her warf, wie sie etwas murmelte, das wie
slawische Flüche klang, dazwischen immer wieder Bruchstücke von
Schreien, inständigen Bitten, Flehen, Aufbegehren. »Hör auf zu
beißen … Blut … Blut … Au! Meine Brüste!
Nein, von unten … faß meinen Hintern nicht an, du
Hund! … Raus aus mir! Raus!«
In Malkas zitternden Händen klirrten die Schale und das
Skalpell aneinander, als sie diese ihrem Herrn
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