Die Zypressen von Cordoba
Sire.
Werdet gesund und nehmt die Hilfe des Kalifen heute an. Morgen, wenn
Ihr König seid, steht es Euch frei, zu handeln, wie Ihr es für
angemessen haltet. Die Umstände ändern sich, Fürsten leben und Kalifen
sterben. Ergreift Eure Chance und wartet die Ereignisse ab.
Jetzt geht und beratet Euch mit Eurer Großmutter und laßt sie
wissen, daß sie Euch gerne nach Córdoba begleiten kann. Mehr noch: ihre
Gegenwart dort würde uns in die Lage versetzen, den Feldzug gegen den
Usurpator mit größerer Leichtigkeit zu planen. Habt die Freundlichkeit,
mir Eure Entscheidung bis heute abend mitzuteilen. Wenn mein Vorschlag
Eure Zustimmung findet, brechen wir nach Córdoba auf, sobald Ihr bereit
seid. Wenn nicht, dann mache ich mich morgen früh im Morgengrauen
wieder auf den Weg nach al-Andalus. Inzwischen wäre ich Euch äußerst
verbunden, wenn Ihr einen Eurer Stallmeister anweisen könntet, mein
Pferd zu satteln. Ich möchte durch Eure herrlichen Buchenwälder reiten
und in dem wunderbar getupften Sonnenlicht Spazierengehen, das durch
die zarten, flüsternden Blätter dringt.«
»Ihr laßt einen derart alltäglichen Ritt recht poetisch
erscheinen.«
»Die Poesie ist eine der großen Gnaden des zivilisierten
Lebens.«
»Und warum wünscht Ihr zu gehen, da Ihr doch reiten könntet?«
»Tägliche Bewegung ist für mein Wohlbefinden unerläßlich.«
»Ich fürchte, Ihr werdet ein wenig warten müssen, bis der
Verpflegungsmeister eine Wegzehrung für Euch bereitet hat.«
»Das wird nicht nötig sein. Eine Mahlzeit am Tag reicht mir
aus.«
»Kein Wunder, daß Ihr so mager seid«, spottete Sancho.
»Mager, aber gesund, dem Herrn sei Dank.«
Während er den Flußlauf des Agra entlangritt, der inzwischen
durch das Schmelzwasser, das von den hoch aufragenden Pyrenäen zu Tal
schoß, zu einem tosenden Strudel geworden war, stellte sich Da'ud die
Unterredung zwischen Sancho und dessen ehrfurchtgebietender Großmutter
vor: Toda, wie sie tobte und schrie, wie sie ihre Wut in die Welt
hinausbrüllte, daß sie von ihrem Erzfeind abhängig war, wie sie sich
mit ihren schwächlichen Höflingen beriet, nur um deren Rat zu
verwerfen, und wie sie dann in stumme Resignation verfiel beim Anblick
von Sancho, der sich ein gigantisches Mittagsmahl einverleibte und
danach in Schlummer sank. So wie er die Dinge sah, würden die
schmerzlichen Erwägungen des Tages eines von zwei möglichen Ergebnissen
zeitigen: entweder würde Toda, die hinter all ihrer aufbrausenden Art
doch eine Pragmatikerin war, sich mit seinem Vorschlag einverstanden
erklären; oder Sancho, vom glühenden Ehrgeiz getrieben, das Unrecht zu
sühnen, das man seiner jämmerlichen Person angetan hatte, würde seinen
königlichen Willen durchsetzen und den Vorschlag aus eigenen Stücken
annehmen. Wie auch immer, der erfolgreiche Ausgang seiner Mission stand
außer Frage.
Seltsam, überlegte er, als er vom Pferd stieg und mit raschen
Schritten durch den Wald ging, der in zartem Frühlingsgrün prangte,
seltsam, wie sein jugendlicher Ehrgeiz, sich ganz dem Studium der
Medizin hinzugeben, in völlig andere Bahnen gelenkt worden war, wo er
sein Wissen und seine Person zu politischen Zwecken einsetzte. Wie weit
er sich doch von dem Einsiedler entfernt hatte, der damals auf dem
Totenbett gelegen hatte, von dem alten Wächter in der Bibliothek mit
den schmerzenden Gelenken und von den anderen unbekannten Patienten,
die er in einer inzwischen weit zurückliegenden Vergangenheit behandelt
hatte. Und doch war er nicht unzufrieden mit dem Lauf seines Lebens.
Man hatte ihn mit Ehrungen und Wohlstand überhäuft, und wenn er das
Vertrauen des Kalifen nicht mißbrauchte, war seine Stellung bei Hofe
gesichert, ungeachtet des Mißtrauens, mit dem die Imams diese enge
Verbindung zwischen ihm, dem Juden und dhimmi, und
seinem muselmanischen Herrn beäugten.
Nur ein Bereich seines Lebens war noch immer dunkel umwölkt,
der einzige Bereich, in dem die Eigenschaften, die ihm Größe gebracht
hatten – sein Scharfblick und seine Gelehrsamkeit, seine
Weisheit, sein Verständnis und seine bemerkenswerte
Überredungsgabe – völlig versagt hatten. Acht Jahre waren seit
seiner Hochzeit mit Sari vergangen, und doch entzog sie sich ihm noch
immer. Zunächst hatte ihre Weigerung, ihn in ihr Bett zu lassen, sein
Verlangen nach ihr noch verstärkt, seine Entschlossenheit, das
Unerreichbare zu erreichen, noch gesteigert, hatte ihn angestachelt,
alle möglichen Wege zu beschreiten, um ihre
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