Die Zypressen von Cordoba
nennen? –, manchmal denke ich, daß sie Euch wegen
der Tiefe und Breite Eures Wissens hassen. Was wissen sie denn, diese
Nachfahren von Wüstenkriegern, was kennen sie denn schon außer blutigem
Krieg und niedrigen Intrigen? Sie glauben, daß sie kultivierte Männer
sind, wenn sie einen schönen Reim schmieden oder einen Lobgesang
komponieren können, aber es wird noch viele Generationen dauern, bis
ihr Geist wirklich verfeinert ist. Wir jedoch, Ihr und ich, wir werden
sie verwirren, bei Allah, wir werden sie verwirren.«
Da'ud verneigte sich tief, um das Kompliment des Kalifen
entgegenzunehmen. Mit sorgfältigen, aber eifrigen Händen entfernte
al-Hakam das Leinen und ließ die Augen über die verblaßten
Illustrationen und die winzige Kalligraphie des uralten Werks streifen.
»Mit Eurer Erlaubnis, o Herrscher der Gläubigen, verlasse ich
Euch nun«, sagte Da'ud. »Ich muß Vorbereitungen für meine Reise in den
Norden treffen.«
»Geht in Frieden«, murmelte der Kalif, ohne den Blick von dem
kostbaren Band zu wenden. »Aber vor allem, kehrt in Frieden zurück.«
Da'ud war das Herz leichter als seit vielen Monaten. Er
verließ den Palastbezirk und machte sich eilig auf den Heimweg. Beim
Stadttor sprach ihn ein reisender Vogelhändler an, ein riesiger,
schwarzer Afrikaner, dessen Gesicht vor Schweiß glänzte und in einem
breiten Grinsen strahlte. Ein großer Langschwanzpapagei saß ihm auf der
Schulter, und in dem verbeulten Käfig, den er vor Da'ud hinhielt,
kreischten schrill vielfarbige Kolibris.
»Einen guten Tag Euch, werter Herr. Wie ich sehe, seid Ihr ein
Mann von verfeinertem Geschmack, ein Mann, der es wert ist, diesen
Papagei zu besitzen, den Ihr auf meiner Schulter seht. Schaut ihn Euch
gut an, o ehrenwerter Herr, er ist ein seltener Vogel mit seinem
hellgrauen Gefieder und seinem scharlachroten Schwanz, er hat nicht das
schreiende Gelb und Rot und Grün anderer Papageien, das Euch die Augen
blendet, wenn Ihr sie von den erbarmungslosen Strahlen der Sonne
ausruhen möchtet. Ein eleganter Vogel für einen feinen, eleganten
Herren.«
Da'ud amüsierte sich über das freche Verkaufsgeschwätz des
Händlers, schenkte ihm ein freundliches halbes Lächeln und strich mit
dem Finger über die rundliche Brust des Papageis. Dann warf er dem
Afrikaner zu dessen großem Erstaunen ein paar Goldmünzen in die
ausgestreckte Hand. »Das ist ein kleines Vermögen für einen solchen
Vogel«, sagte Da'ud und hielt dem Papagei einen Finger hin, daß er
darauf Platz nähme. »Aber das Schicksal hat es heute mit uns beiden gut
gemeint. Ich habe nach einem Geschenk für meinen Sohn gesucht, den ich
heute morgen davon abgehalten habe, das Leben eines verwundeten Vogels
zu retten«, sagte er, als könnte er sein schlechtes Gewissen
erleichtern, indem er sich diesem Fremden anvertraute. »Ich hoffe, daß
ich das mit diesem schönen Tier wiedergutmachen kann.«
»Sicherlich, Euer Ehren, sicherlich«, stammelte der Schwarze,
immer noch völlig durcheinander von dem unglaublichen Glück, das ihm
widerfahren war. Er folgte Da'ud mit Blicken, bis er beinahe nicht mehr
zu sehen war. Dann wirbelte er den Käfig mit mächtigem Schwung um sich,
jauchzte vor Freude und machte sich auf den Weg zum Marktplatz, um
seinen neu erworbenen Reichtum zu verprassen.
22
P edantisch genau, weil er sich nur ungern
von beinahe der Hälfte des mageren Lohns trennte, den ihm sein Gönner
zukommen ließ, zählte Menahem die Münzen für seine monatliche Miete in
die ausgestreckte Handfläche der Witwe Tamara. Obwohl deren rauhe und
gerötete Haut verriet, daß sie seit dem Tod ihres Gatten gezwungen war,
niedrige Hausarbeiten zu verrichten, so waren doch ihre sorgfältig
gepflegten Fingernägel und anmutigen Bewegungen stumme Zeugen der
Eleganz und verfeinerten Lebensart, die sie früher einmal gekannt
hatte. Sie dankte ihm nicht. Sie dankte ihm nie. Es hätte sie
erniedrigt. Sie nahm das Geld einfach, als sei es Wechselgeld, das ihr
ein Lieferant feinster Seide aus Córdoba noch schuldete, und steckte es
geistesabwesend in die Falten ihres abgewetzten, früher einmal
eleganten Gewandes.
Wie an jedem Tag außer am Donnerstag, Freitag und natürlich am
Sabbat wandte sich Menahem wieder seinen Papieren und Büchern zu,
machte sich an die Arbeit, um die Wortstämme der geheiligten
hebräischen Sprache zu definieren und zu klassifizieren, ohne dabei auf
arabische Beispiele oder arabische grammatische Ausdrücke
zurückzugreifen. Es war still in dem
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