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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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befriedigten Grinsen, das ich schon beinahe bösartig
nennen würde, und er ging höchst erfreut fort, plauderte gutgelaunt mit
seinen Schmeichlern. Da wir ihn als Meister der Intrige kennen, hielt
ich es für das beste, dich gleich zu warnen. Man muß kein weltgewandter
Höfling sein, um zu begreifen, daß es ihm, dem wichtigsten
Steuereintreiber des Kalifen, ein Dorn im Auge sein muß, wenn du
Zugriff auf den Tribut hast, den die christlichen Königreiche zahlen.«
    »Äußerst ungern zahlen«, ergänzte Da'ud trocken.
    »Aber es sind Gelder, von denen Abu Bakr sehr wohl behaupten
könnte, daß du sie unterschlägst. Weiß irgend jemand außer mir, daß du
dein eigenes Geld vorgestreckt hast, um das Bauvorhaben am Leben zu
halten?«
    »Meines Erachtens nicht, aber bei Palastintrigen werden Dinge
verbreitet, ohne daß irgend jemand weiß, wo sie herkommen.«
    »Ich will dich nicht aufhalten. Unter diesen Umständen ist
Eile geboten. Gott mit dir«, murmelte der Meister, während er sich müde
und mit traurig hängenden Schultern auf den Heimweg machte.
    Hai mußte rennen, um auf dem Rückweg mit seinem Vater Schritt
zu halten. Noch nie hatte Da'ud ihm dermaßen wenig Beachtung geschenkt.
Immer hatte er bisher seine Schritte an die seines kleinen Sohnes
angepaßt, nie war Hai gezwungen gewesen, das Tempo seines Vaters
mitzugehen. Verwirrt über Da'uds seltsame neue Haltung, völlig
erschöpft von der körperlichen Anstrengung, zu der er sich gezwungen
sah, kämpfte der kleine Junge tapfer mit den Tränen, die ihm in den
Augen standen. Als er jedoch die Amsel sah, die tot und starr dalag,
schossen ihm Tränen in die Augen und rollten ihm über die heißen,
geröteten Wangen. Kaum hatte er die Schwelle des Hauses Ibn Yatom
überschritten, da ließ er die Hand seines Vaters fahren und floh in die
beruhigende Sicherheit seines Zimmers, warf sich bäuchlings auf das
Bett und erstickte seine Schluchzer in den Kissen, bis ihn der Schlaf
übermannte.
    Ohne mit irgend jemandem ein Wort zu sprechen, eilte Da'ud in
sein Arbeitszimmer und nahm ein Buch zur Hand, das noch in der rauhen
Leinwand eingenäht war, in der man es ihm am Vortag überbracht hatte.
Er übersah seinen Sekretär vollkommen, befahl, sein schnellstes
Vollblut zu satteln und legte die kurze Entfernung zwischen der Stadt
und der Medina Azahara in halsbrecherischer Geschwindigkeit zurück.
    Ein Ausdruck ungeheurer Erleichterung zeigte sich auf dem
aufgedunsenen Gesicht des weißen Eunuchen, der den Eingang zu den
Privatgemächern des Kalifen bewachte, als er Da'ud näher kommen sah.
»Gerade eben wurden Boten nach Córdoba ausgeschickt, um Euch zu
suchen«, sagte er mit flötender Stimme. »Ihr müßt Euch sogleich zum
Kalifen begeben. Ihr findet ihn im Lesezimmer.«
    Im Lesezimmer, wo er so viele ruhige Stunden im Gespräch mit
seinem Herrscher verbracht hatte, dachte Da'ud bitter. Er liebte diesen
Raum mit dem grauen Marmor und den Bogenfenstern hoch oben in den
Wänden, die mit so feinem Maßwerk verziert waren, daß sie das
Tageslicht ungehindert durchließen. Der Raum war nur spärlich möbliert,
enthielt lediglich die zum Studium der Bücher absolut notwendigen
Dinge – wunderbar geschnitzte Lesepulte mit damaszenischen
Intarsien, Tische aus libanesischem Zedernholz, Diwane, bedeckt mit
Berbertuchen in dunkeln Tönen und mit Dutzenden von Kissen in allen
Formen, Größen und Farben. Vielleicht würde er nun zum letzten Mal über
diese Schwelle treten …
    Äußerlich ruhig, machte sich Da'ud auf eine Konfrontation mit
seinem Herrscher gefaßt. Würde er Abu Bakr beim Kalifen vorfinden? Und
wie war der Steuereintreiber die Sache angegangen? Beschuldigte er ihn
direkt der Unterschlagung oder hatte er in Ermangelung handfester
Beweise nur tückische Anspielungen und Andeutungen gemacht, die Da'ud
nur noch schwerer zu widerlegen vermochte, da sie so vage waren? Da'ud
holte tief Luft, als man die Türen des Lesezimmers vor ihm öffnete.
    Völlig verdattert blickte er auf die Szene, die sich ihm bot.
Das war es also! Al-Hakam II. al-Mustansir, der Herrscher der
Gläubigen, lag mit geschlossenen Augen und schmerzverzerrtem Gesicht
auf dem Diwan. Sofort bemerkte Da'ud unter den Gewändern den
aufgeblähten Leib. Sollte doch jetzt Abi Bakr kommen und versuchen, ihn
in Mißkredit zu bringen, dachte er mit süßen Rachegefühlen, während er
das Buch, das er in der Hand hielt, auf einen Tisch aus Zedernholz
legte und sich neben dem Kalifen auf den Diwan setzte.

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