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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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beobachtete schweigend, nahm
alles in sich auf, sprach aber wenig. Von Zeit zu Zeit entzog er seinem
Vater die Hand, beugte sich herab und hob einen Marienkäfer auf, dessen
rote Flügel mit den schwarzen Punkten prächtig in der Sonne glänzten,
oder er bückte sich und verfolgte den Weg einer Doppelkolonne von
Ameisen, die in militärischer Ordnung von einem Krümelchen Essen zu
ihrem Ameisenhaufen hin und zurück marschierten. Geduldig blieb Da'ud
dann stehen und erklärte seinem Sohn die Wunder der Schöpfung, ehe sie
sich zusammen wieder auf den Weg machten.
    Als Hai jedoch an jenem Morgen innehielt, um eine verletzte
Amsel zu betrachten, die, von Federn und einer Lache geronnenen Bluts
umgeben, am Wegesrand lag und deren einziges Lebenszeichen nur noch das
schwache Beben ihrer Brust war, weigerte sich Da'ud, stehenzubleiben
und das hilflose Geschöpf zu untersuchen.
    »Komm weiter, Kind«, befahl er knapp.
    »Aber Vater, der Vogel leidet. Wenn wir ihn mit nach Hause
nehmen und die Wunde versorgen, dann kann er vielleicht wieder fliegen.«
    »Dazu ist es zu spät.«
    »Können wir es nicht wenigstens versuchen?«
    »Heute nicht«, antwortete Da'ud, packte sein Kind fester bei
der Hand und zerrte den Jungen mit einer ärgerlichen Gereiztheit weg,
wie er sie ihm gegenüber sonst selten zeigte.
    Während Hai widerwillig weiter mitging, weinte er vor Mitleid
mit dem hilflosen Geschöpf, das sein Leben aushauchte, gleichermaßen
aber ließ die strikte Weigerung seines Vaters, der ihm nicht einmal
einen Versuch der Rettung zugestehen wollte, seine Tränen fließen. Noch
nie hatte man so ohne jeglichen Grund derart streng mit ihm gesprochen.
Erst als Hai die hochaufragende Gestalt des Abu Sa'id Hatim ibn Zuhr
sah, der ihnen vom Hospital her entgegengeeilt kam, wischte er sich
verstohlen mit dem Handrücken über die Augen, und auch diese Geste
entging seinem Vater an jenem Morgen.
    Hai konnte nicht wissen, daß Da'ud innerlich vor Wut kochte
über Djamilas Initiative, mit der sie ihn gegenüber den Schwestern Bar
Simha, die er verabscheute, und seinem Sekretär, den er nicht leiden
konnte, in eine unmögliche Lage gebracht hatte. Was für eine üble
Situation hatte sich da in seinem Haushalt ergeben, dachte er wütend,
während er mit großen Schritten voranging. Die Geburt des Kindes, das
er an der Hand hielt, war das kaum noch erhoffte Ergebnis von Djamilas
Anwesenheit unter seinem Dach gewesen. Aber seither war sie ihm
unerträglich geworden, und so sehr er es versuchte, er empfand auch
nichts für seine Tochter, die ihrer Mutter in allem so glich. Nun
hatten die Dinge jedoch eine schlimmere Wendung genommen, da Djamila
die Stellung mißbrauchte, die er ihr in seinem Haus zugestanden hatte,
indem sie versuchte, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts
angingen. Schlimmer noch waren ihre offen geäußerten Ansichten zur
Bildung von Mädchen. Wenn sie es sich in den Kopf setzte, derlei
Gedanken auch außerhalb der sicheren Mauern seines Hauses zu
verbreiten, so konnte das großen Schaden für die etablierte Ordnung der
jüdischen Familie heraufbeschwören. Irgendwie mußte er ihr Einhalt
gebieten. Mit solchen Gedanken beschäftigt, bemerkte Da'ud gar nicht,
daß Ibn Zuhr sich näherte. Erst der vertraute Klang seiner Stimme riß
ihn aus seinen Grübeleien.
    »Hallo, kleiner Mann«, begrüßte der Meister gerade Hai und
wuschelte ihm liebevoll durch die rostroten Locken. »Du wächst wohl
gleichzeitig mit den Mauern deiner zukünftigen Wirkungsstätte heran?«
Er lächelte und wandte sich dann in dringenderem Ton an Da'ud. »Gut,
daß ich dich treffe. Ich wollte gerade die Stadt nach dir absuchen.«
    Da'ud erstarrte. Nur ein überaus dringendes Problem konnte Ibn
Zuhr bewegt haben, seinen streng geregelten Tagesablauf zu ändern und
sich auf die Suche nach ihm zu begeben. Der Meister nahm Da'ud beim Arm
und ging mit ihm ein Stück in die Richtung fort, die er mit Hai
gekommen war. »Ich habe heute morgen der Baustelle meinen üblichen
wöchentlichen Besuch abgestattet, als plötzlich Abu Bakr mit einigen
seiner Schmarotzer auftauchte. Seine Anwesenheit machte mich stutzig,
also verbarg ich mich hinter einer Säule und beobachtete ihn heimlich.
Zunächst war er offenkundig überrascht, daß bisher nur wenig
Fortschritt zu verzeichnen ist und daß auf der Baustelle nur so wenig
gearbeitet wird – heute war nur die Rumpfmannschaft von
Bauarbeitern anwesend. Aber nach kurzer Überlegung wich seine
Verblüffung einem

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