Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
Vom Netzwerk:
mächtige Frau, die ihr helfen wollte, Demi zu befreien, ist ganz klein und unbedeutend, ein Nichts.
    Eduardo lehnt sich in seinen Sessel zurück. »Vielleicht, ›Mutter‹, werde ich dir dein Haus lassen, aber von nun an wirst du tun, was ich dir sage.« Seine Stimme wird sanfter. »Und mein Vater wird auch tun, was ich sage. Schon sehr bald wird er erkennen, dass er tun muss , was ich sage.« Er lächelt. »Weißt du, alles zu wissen, bedeutet Macht, und eine Sache, die ich sehr genau weiß, ist die, dass jeder ein Dieb ist. Es ist ganz simpel: Manche sind schlau und manche sind gierig. Dein Mann, mein ›Vater‹, ist gierig. Ich, ›Mutter‹, bin schlau und aus diesem Grunde sitz ich hier. Man braucht nichts weiter, als bestimmte Dinge zu wissen. Ich weiß zum Beispiel, dass dieser kleine Mann hier, der sich Demi nennt, ein guter Dieb ist, deshalb werde ich ihn behalten.« Er wendet sich Baz zu. »Was dich angeht – bei dir weiß ich nicht recht. Du könntest mir Probleme machen. Ich glaub es aber nicht. Du magst Demi, und Demi ist jetzt in Sicherheit, nicht wahr, Demi?« Demi antwortet nicht, aber davon lässt Eduardo sich nicht beirren, er lächelt nur und redet weiter. »Ich bringe ihn hier raus, du kommst auch mit und keiner wird mich aufhalten. Wir sind sicher.«
    Baz’ Kehle ist zugeschnürt, sie spürt ein Brennen hinter den Augen. »Sie können uns zu nichts zwingen! Wir schrein einfach, dann kommen Wachleute. Was machen Sie dann?«, sagt sie. »Sag’s ihm, Demi. Wir ham nix mit ihm am Hut. Besser, die Uniformen schnappen uns als der hier. Der hier ist Gift.« Sie fühlt Wut in sich aufsteigen, wie die Flut hinter einem Deich. Sie hat den Schlüssel. Sie hätten entkommen können, wenn er nicht gewesen wäre, der da so sauber, so selbstgefällig in seinem Sessel sitzt, und plötzlich ist Baz so wütend, wie sie’s noch nie, niemals zuvor in ihrem Leben gewesen ist, und alle hässlichen Wörter, die sie jemals im Barrio gehört hat, strömen aus ihr heraus wie ein Sturzbach aus verfaultem Brunnenwasser.
    »Baz, du machst es nur noch schlimmer!«
    Jemand lacht. Eduardo.
    Jemand anderes nimmt ihre Hand, hält sie fest, aber ihre Wut ist wie ein Sturm, und sie kann nicht aufhören.
    Und dann fliegt die Tür hinter ihr plötzlich auf und knallt ihr voll ins Kreuz, sodass sie auf die Knie sinkt und keine Luft mehr bekommt, und da versickert die Flut des Hasses, während sie unter Schmerzen, schockiert, am ganzen Leibe zitternd, um Atem ringt. Vorübergehend sind Füße das Einzige, was sie wahrnimmt: Señora Doluccas gelbe High Heels, Eduardos weiße Halbschuhe. Eine Hand packt sie grob am Nacken, tut ihr weh, drückt ihr Gesicht auf den Boden. Sie zwingt sich, keinen Widerstand zu leisten.
    »Ich habe versucht zu helfen«, sagt die Frau. »Eduardo war vor mir hier. Was sollte ich tun?«
    Es ist Baz egal. Sie fragt sich nur, warum der Wachmann nicht angelaufen kommt.
    »Du kannst sie jetzt hochlassen, Domino«, sagt Eduardo.
    Der Druck in ihrem Nacken lässt nach, der Griff jedoch bleibt: nur dass der Mann sie jetzt hochzieht.
    »Und nun siehst du, wie sie wirklich sind, ›Mutter‹.« Das Wort »Mutter« klingt bei ihm wie Hohn, wie ein Witz. »Sie sind Diebe, meine Diebe. Sie gehören jetzt mir. Stimmt’s, Demi?« Er erhebt sich, wickelt die Pistole in ein Taschentuch und lässt sie in seine Sakkotasche gleiten. Dann zieht er die Handschuhe aus. »Steh auf, Demi. So schlimm ist deine Verletzung nicht.« Er wirft Demi dessen Kleidung zu.
    Mit einem Ruck schüttelt Baz die Hand ab, die noch immer ihren Nacken gepackt hält, und huscht zum Bett hinüber, an Demis Seite. Domino, Eduardos Gehilfe mit dem ausdruckslosen Gesicht, will ihr nachsetzen, doch Eduardo hebt beschwichtigend die Hand. »Lass sie. Sie ist sicher.«
    ›Sicher‹ – Fays Wort.
    »Was soll das, Demi? Was meint er?«
    Demi zuckt mit den Schultern, zieht sich, zwischendurch leicht das Gesicht verziehend, Jeans und T-Shirt an und schlüpft in ein Paar Laufschuhe.
    »Hab keine Wahl, Baz. Muss jetzt für den hier arbeiten. Hat mich in der Hand.«
    So hat Baz ihn noch nie erlebt, so geschlagen, resigniert. War’s das also?, fragt sie sich. Ist alles vorbei? Das wird jetzt ihr Leben, so zu sein wie alle anderen im Barrio und nicht etwas Besonderes wie Mama Bali oder Lucien?
    »Das reicht«, sagt Eduardo. »Gehen wir. Domino, du behältst die beiden im Auge. Mutter, du kommst mit mir.«
    Eduardo verlässt als Erster den Raum, zusammen mit

Weitere Kostenlose Bücher