Diebe
weiß es auch. »Rede mit ihm«, sagt er. »Du kommst dicht an ihn ran, dich sieht keiner. Finde raus, warum er ’n Gesicht macht wie ’n krankes Gespenst.«
»Und du holst die Fahrkarten nach Tianna.« Tianna ist die nächste Stadt weiter oben an der Küste, die Fahrt dorthin dauert nur vier Stunden. Dort können sie erst einmal bleiben, Pläne machen, später dann weiterziehen.
»Tianna. Okay.«
»Warte an der Sperre auf uns, eh?«
Er nickt, wuselt durch allerlei Beine hindurch und stellt sich dann in die Schlange vor einem der Fahrkartenschalter. Baz dreht sich um und bahnt sich einen Weg zurück zum Eingang, dort läuft sie die Treppe hinunter, sprintet ein Stück weit die Straße entlang und betritt dann, nachdem sie sich davon überzeugt hat, dass niemand sie verfolgt, den Bahnhof durch die Seitentür. Lucien steht noch immer an derselben Stelle wie vorher – als hätte man ihm die Füße am Boden festgenagelt. Sie schaut sich nach Kameras um. Keine zu sehen. Aber irgendjemand beobachtet Lucien, sonst hätte er sich bewegt, wäre einem von ihnen gefolgt. Noch einmal blickt sie sich forschend um, lässt sich mehr Zeit diesmal, prüft Gesichter, Uniformen, Anzüge ... Anzüge! Drüben beim Fenster, in einer Zeitung blätternd, steht ein Mann im Anzug, aber keiner, den sie kennt. Einer von Eduardos Männern, da legt sie sich fest. Wenn sie ihn nicht kennt, kennt er sie auch nicht – es sei denn, er sieht sie mit Lucien reden.
Sie schlängelt sich durch die Menge hindurch, langsam und unauffällig, bis sie, für den Mann im Anzug nicht zu sehen, ganz dicht hinter Lucien steht. Menschen wogen um sie herum. Sie zieht am Ärmel seiner alten Jacke und ergreift sein dünnes Handgelenk. »Lucien.« Sie fühlt, wie er sich anspannt.
»Baz!« Er zieht den Kopf ein wenig ein. »Ich werd beobachtet, Baz.« Er bewegt kaum die Lippen, aber es ist ein Zittern in seiner Stimme.
»Wir ham ihn gesehn.«
»Ich schwör dir, ich hab nix gesagt.«
Sie dreht sich ein wenig herum. Die Luft immer noch rein, immer noch nur der eine Beobachter. »Mach dir keine Gedanken um mich und Demi. Wir passen auf.«
»Bin hergekommen, wie du mir gesagt hast, Baz. Ehrlich. Aber dann hab ich hier einen von Fays Jungen gesehn. Vielleicht ham sie mich verfolgt, weil, kaum war ich hier, da ist der Mann auf mich zugekommen.«
Miguel. Die Ratte Miguel! Der ist es. Wer sonst? Keiner der anderen ist so gut wie er. Er ruft Eduardo an, und Eduardo schickt sofort einen Anzugträger her, um eine kleine Falle aufzustellen, ein kleines Netz zu spinnen.
»Der Mann hat mir gesagt, ich soll mich hier hinstellen und mich nicht von der Stelle rührn, meinte, er würd mich umbringen, wenn ich mich wegbewege, bevor du kommst. Ich soll dich umarmen, wenn du kommst, damit er weiß, dass du’s bist. Soll dich verraten. Is ’n harter Typ, Baz. Einer, der Leute tötet. Meinst du, Fay hat dem Jungen gesagt, er soll mir folgen?«
»Nein, Fay ist es nicht.« Ihr Blick schweift immer wieder durch die Halle, um zu prüfen, ob es außer diesem einen noch mehr Verfolger gibt. Sie hofft, dass Demi die Fahrkarten hat. Sie sind so nahe dran. Der Zug steht da draußen und wartet nur darauf, sie mitzunehmen. Falls Eduardo nur diesen einen Anzugträger aufgeboten hat und glaubt, das würde reichen, um sie und Demi aufzuhalten, dann ist er so schlau vielleicht auch wieder nicht, aber sie müssen sich sputen, sonst fährt der Zug ohne sie nach Norden. Und Lucien muss diesen Mann abschütteln.
»Hör zu, Lucien«, sagt sie. »Sag ihm, du musst mal aufs Klo. Sag, du kannst es nicht mehr länger aufschieben. Sag ihm, dass du gleich wiederkommst. Und dann triffst du mich und Demi an der Bahnsteigsperre nach Tianna.« Es könnte funktionieren.
Schweiß tropft ihm über das hagere Gesicht. »Die sagen, du und Demi, ihr habt jemanden umgebracht.«
»Das ist dummes Gerede! Glaubst du das? Wen, glaubst du denn, würden wir umbringen wolln? Hat dich was gebissen oder was?«
»Erzähl dir nur, was sie sagen, Baz. Im Fernsehen heißt es, die Frau vom Captain wird vermisst. Es heißt, du und Demi, ihr müsst sie getötet habn. Alle sagen das. Auch die Zeitungen. Sagen, ihr seid hart und brutal. Sagen, die Frau vom Captain war so ’ne Art Heilige, hat Demi besucht, als er im Krankenhaus lag, aber dann ham du und Demi ihrn Ring gestohln, sie umgebracht und auch den Wachmann umgebracht. Sagen, so’n Diebesgesindel wie ihr zwei ist wie ’ne Plage, die die Polizei aus der Stadt
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