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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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machen. Das verrat ich dir gratis. Baz, nimm dich in Acht.«
    Baz hat das Gefühl, dass es der Ring ist, der sie beide unglücklich machen könnte.
    Sie reden kaum ein Wort, bis sie die Stadt mit der Straßenbahn durchquert und den Bahnhof erreicht haben. An manchen Tagen spürt Baz schon im Voraus die Erregung, die es mit sich bringt, sich durch die Menge zu bewegen, mit Demi zu arbeiten, seine Magie zu beobachten, aber es gibt auch Tage, die fangen ganz unglücklich an, da muss man an jeder Ampel warten und jede Tür fällt einem vor der Nase zu. Heute ist so ein Tag.
    Demi ist anderer Ansicht. Als er vor dem Bahnhof Norte von der Straßenbahn springt, hat er ein Grinsen im Gesicht, und Baz rechnet fast damit, dass er sich gleich die Hände reiben wird in Vorfreude auf einen guten Tag mit reicher Ausbeute.
    Manche Leute halten den Bahnhof für etwas ganz Besonderes, so etwas wie einen prächtigen Palast. Na gut, er ist mächtig groß, hat breite weiße Treppen, die in die geschäftige Halle führen, doch in erster Linie gibt dieser Bahnhof Baz das Gefühl, ganz klein zu sein – und zwar nicht praktisch klein, sodass man nicht auffällt, sondern eher ameisenklein, sodass man gute Aussichten hat, zertrampelt zu werden.
    »Heute sahnen wir ab, Bazzie.« Demi streckt die Finger und lässt die Gelenke knacken. »Wir werden’s Fay zeigen, bringen genug nach Hause, um ’n ganzes Haus zu bauen.«
    »So wie gestern?«
    »Mit Demi ist jeder Tag ’n besondrer Tag. Mach die Augen auf, eh, und pass auf, was ich mache.«
    Bevor sie mit der Arbeit beginnen, kaufen sie sich erst einmal jeder eine Bahnsteigkarte. Eine kleine Investition, die sich aber auszahlt, falls etwa ein Polizist anfängt, Fragen zu stellen, denn dann können sie sagen, dass sie einen Verwandten von seinem Zug abholen wollen. Immer eng beisammen bleibend, schlendern sie auf den Querbahnsteig, studieren die Ankunftszeiten, damit sie wissen, was sie sagen müssen, wenn sie tatsächlich angehalten werden, kaufen sich dann etwas zu trinken und setzen sich auf eine Bank, um sich in Ruhe umzusehen.
    Bahnhöfe wie dieser sind ein bisschen wie der Ozean, das hat Fay ihnen vor langer Zeit mal erklärt: Du wartest, bis die Flut kommt, bis der Strand überspült wird von Menschen, die zu ihren Zügen eilen oder gerade ausgestiegen sind, und dann wirfst du dich hinein. Viel Zeit hast du nicht, dir dein Opfer auszuwählen. Du begibst dich einfach in die Menge und lässt dich mitziehen, hierhin, dorthin, aber du hältst immer die Augen offen. Du siehst ein Portmonee, das aussieht, als müsste man sich mal drum kümmern, und schon treibst du an der betreffenden Person vorbei und bist gleich wieder weg. Und dann machst du wieder Pause, bis die nächste Flut kommt. Wenn Fay darüber redete, klang das Ganze wie ein Sonntagsausflug, und Baz erinnert sich, wie aufgeregt sie war, als sie das erste Mal mit Demi in einen Bahnhof gegangen ist, aber diese Erregung hat nicht lange gehalten.
    Als sie das dritte Mal im Bahnhof Norte auf Tour waren, ist etwas Schlimmes passiert. Gerade hatten sie beide eine neue Nummer abgezogen. Und mächtig clever waren sie sich dabei vorgekommen. Baz tat so, als würde sie weinen. Sie war damals noch kleiner, Fay gab ihr Mädchensachen zum Anziehen und die Sache mit den großen runden Augen hatte sie perfekt drauf. Ein Mann blieb stehen. Er hatte einen grauen Spitzbart, aber sonst kann sie sich an nichts mehr erinnern, außer dass Demi, als der Mann sich zu ihr beugte und fragte, was denn los sei, ihm die Brieftasche so sauber aus der Tasche pflückte, wie ein Affe sich die Flöhe aus dem Fell zieht. Und genau in diesem Moment kam ein Junge direkt auf sie zugerannt und Baz kriegte die Panik. Es ist ihr seither nie wieder passiert, aber damals ist sie richtig erstarrt, dachte, der Junge hätte sie gesehen, würde alles der Polizei erzählen und dann würde sie festgenommen und geradewegs ins Schloss geschafft. Sie wusste, dass sie jetzt eigentlich die Füße in die Hand nehmen müsste, aber sie konnte sich nicht rühren.
    Der Junge hätte sie glatt über den Haufen gerannt, aber der Mann mit dem Bart packte schnell ihren Arm und zog sie aus dem Weg. Sie war schon am Heulen, und zwar echt diesmal, weil sie dachte, das wär’s gewesen, jetzt hätten sie sie erwischt, doch der Mann ließ sie gleich wieder los und eilte davon. Aber sie sah jetzt das Gesicht des Jungen von Nahem: den weit aufgerissenen Mund, das Weiße seiner Augen. Es war ein

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