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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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ihrem Geschäft zu und Baz lässt den Kopf sinken. Der Sturm hat sich gelegt, die Spannung fällt von Demi ab. Er legt einen Arm um ihre Schulter und dreht sie von Raoul weg. Es gibt nichts, was sie tun können, außer den Bahnhof zu verlassen, bevor die Polizei anfängt, ihnen Fragen zu stellen, sie womöglich durchsucht und das Geld aus Demis ersten beiden kleinen Fischzügen findet.
    »Du hast mir Angst gemacht, Baz. Hast ausgesehen, als würdste den Mann beißen wollen.«
    »Hab selber Angst gekriegt.« Sie fühlt ein Zittern durch ihren Körper laufen.
    »Wenigstens warn’s die Uniformen, die ihn erwischt ham, nicht die APA.«
    Ja, denkt sie, wenigstens wird er nur geschlagen, nicht gleich erschossen. Aber nach den Schlägen, was kommt dann? Das Schloss vielleicht ...
    »Demi, was können wir tun?« Sie beginnt hastig zu sprechen, mit großer Dringlichkeit. »Wir starten ’ne Ablenkungsaktion, wie das eine Mal, als ...«
    »Freund von euch, der Dieb da.« Diese Worte, die eher eine Feststellung formulieren als eine Frage, erklingen in der lässig gedehnten Sprechweise der Oberschicht. Sie unterbrechen Baz’ Versuch des Pläneschmiedens und jagen ihr einen Schrecken ein: Ein junger Mann, groß und schlank, versperrt ihnen den Weg. Das Erste, was Baz an ihm auffällt, ist die Manschette an einem teuren Hemd, das um ein schmales Handgelenk geschlungene Silberkettchen, die Hand, die sauber und blass ist, mit ordentlich geschnittenen Fingernägeln, und ein Notizbuch hält. Mit geradezu alberner Schärfe wird sich Baz ihrer abgekauten Fingernägel bewusst, ihrer billigen Kleidung, und dann durchzuckt sie ein besorgniserregender Gedanke: Hat er gehört, was sie gesagt haben?
    »Kenn ich nicht«, sagt sie. Es ist etwas Vertrautes an diesem jungen Mann, der ein Student sein könnte, etwas, das sie nicht recht einordnen kann. Weiche Haut, ein bisschen wie Fay, aber Haare, die sich um seinen Kopf kräuseln wie ein schmaler gelber Heiligenschein, sodass Baz an die Kirche an der Plaza beim Barrio denken muss, mit den hohen Fenstern, auf denen bunte Abbildungen von steifen Männern und Frauen zu sehen sind. Doch dieser junge Mann hier ist nicht von irgendeinem Kirchenfenster herabgestiegen. Sein Blick ist scharf, und er starrt Demi an, als würde er ihn kennen. Baz beachtet er nicht.
    »Vielleicht kann ich helfen«, sagt er.
    Demi zuckt mit den Schultern. »Wir ham diesen Jungen noch nie gesehn.«
    »Bist du sicher?«
    »Klar. Ich weiß doch, wen ich kenne. Okay, gehn wir«, sagt er zu Baz, aber Baz rührt sich nicht, sie lässt den jungen Mann nicht aus den Augen. Sie hat ihn schon mal gesehen, das weiß sie genau.
    »Ihr wollt also meine Hilfe nicht. Ist euch egal, dass dieser Junge ins Gefängnis kommt.«
    »Wer sind Sie?«, fragt Baz unvermittelt. »Sie sind nicht hier, weil Sie mit’m Zug fahrn wollen.«
    Er lächelt, antwortet jedoch nicht. Sein Schweigen hat etwas Unheimliches.
    »Wenn Sie dem Jungen helfen wollen, nur zu«, sagt Demi. »Wir ham damit nix zu tun. Wir müssen los.«
    Der junge Mann tritt zur Seite, um Demi und Baz durchzulassen, die sich schleunigst in Richtung Haupteingang wenden. »Ich hab ihn schon mal gesehn«, sagt Baz. »Diesen Typen – gestern, als du den Ring gemopst hast – am Zeitungskiosk, bevor du Richtung Juwelier gegangen bist. Erinnerst du dich?«
    Demi schüttelt den Kopf. »Weiß ich nix von.«
    »Raoul meinte, dass irgend so’n Typ sich im Barrio rumgetrieben hat. Hat mit Paquetito geredet, mit Mama Bali auch. Vielleicht war er das?«
    »Vielleicht.« Dann: »Raoul wird jetzt nicht mehr allzu viel zu reden ham.«
    Erst als sie auf der Treppe sind, die aus dem Norte-Bahnhof führt, fühlt Baz sich befreit und hat nicht mehr das Gefühl, dass der reiche junge Mann sie beobachtet. Dieser Ort ist wie eine Falle, findet sie, wenn man Pech hat, steckt man fest. Draußen ist es besser. Auf der Straße hat man Platz. »Hier arbeiten wir nicht wieder, Demi. Ist kein guter Ort.«
    »Lief doch ganz okay für uns.«
    Besser als für Raoul, denkt sie, mit seinem Lächeln und den großen Worten. Was wird jetzt mit ihm passieren? Wird man ihn ins Schloss bringen? Wird Raoul den Mund halten? »Fay geht an die Decke, wenn sie hört, was passiert ist«, sagt sie. »Und was wir mitbringen, das reicht nicht, um sie zu beruhigen.« Fay hat es tausendmal gesagt: »Falls einer von euch so dumm ist, sich von der Polizei schnappen zu lassen, dann ist keiner mehr sicher. Ich auch nicht. Passt bloß auf,

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