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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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sein Essen. »Was ist mit deiner Familie passiert?«, fragt sie, nachdem sie ihm für eine Weile zugesehen hat. Aber diesmal blickt er nicht auf und lächelt auch nicht, sondern isst nur einfach langsam weiter.
    »Vielleicht solltet ihr zwei mal überlegen, ob ihr euch nicht ’ne ehrliche Arbeit besorgen wollt«, sagt Mama Bali, als sie sich verabschieden. »Da handelt man sich keinen Ärger ein.«
    »Ich handel mir auch so keinen Ärger ein, Mama«, antwortet Demi, aber später, auf dem Rückweg zur Bude, sagt er: »Ehrliche Arbeit, was ist ehrliche Arbeit? Ehrliche Arbeit kann dich auf’n Berg bringen, aber wenn du die Klappe zu weit aufreißt, kommst du auch auf’n Berg. So ziemlich das Einzige, was dich und mich davor schützt, dahinzukommen, Baz, ist, ’n guter Dieb zu sein.« Er lässt seine Finger unter ihrer Nase zappeln, sodass sie den Kopf wegbiegen muss. »Das hier sind meine magischen Kräfte.«
    »Ja«, sagt sie, »du solltest deine magischen Kräfte dafür benutzen, Raoul von diesem Horrorberg wegzuholen.«
    »Morgen. Morgen lassen wir uns über die Brücke fahrn. Kein Thema. Wir finden ihn und holn ihn da raus. Ist wahrscheinlich meine erste ehrliche Aktion überhaupt. Achte mal drauf – ich werd der reinste Affenmensch sein.« Und er wackelt noch einmal mit den Fingern und hüpft so lange auf und ab, bis sie lächeln muss. Dann stößt er einen Jauchzer aus, macht einige Drehsprünge gegen die Mauer entlang der Gasse und stellt überhaupt lauter Faxen an mit den Leuten, die ihnen auf dem Rückweg zur Bude entgegenkommen. Manchmal gibt einem Demi das Gefühl, er sei der König der Welt. Aber Lucien hat gesagt, der Berg wäre mehr ein Gefängnis als irgendwas sonst. Und um Raoul aus einem Gefängnis klauen zu können, müssen sie wirklich die besten Diebe der Stadt sein.

9
    Als Baz und Demi zurückkehren, ist Fay allein in der Bude und bereitet das Abendessen vor. Ihre Jacke hängt über der Stuhllehne und in dem großen schwarzen Topf köchelt ein Eintopf. Es liegt ein schwerer, intensiver Fleischgeruch in der aufgeheizten Luft. Sie hackt Süßkartoffeln in Scheiben und summt eine Samba mit, die im Radio gespielt wird. Ihr Messer klopft und klappert im Rhythmus. Es ist, als hätte es Moro nie gegeben.
    Mal Sonne, mal Regen, denkt Baz. Fay und Demi sind gar nicht so verschieden. Beide haben Stimmungen, die sich ein- und ausschalten wie elektrisches Licht. Komischerweise ist Fay oft dann in ihrer freundlichsten Stimmung, wenn sie kocht. Mama Bali ist immer nett und freundlich. Vielleicht ist es so, denkt Baz, dass einem der Geruch von Essen auf einem heißen Herd einfach guttut.
    Sie wäscht sich die Hände in dem Becken beim Fenster und stellt sich dann neben Fay. Demi geht in seine Ecke, wo er ein paar Regalbretter für seine Kleidung hat und einen Koffer ohne Griff, der unter sein Feldbett gezwängt ist. Soweit Baz weiß, hat er dort nichts außer alten Zeitschriften und aus der Zeitung ausgerissenen Bildern, die meistens mit seiner Lieblingsfußballmannschaft zu tun haben. Ihr ist aufgefallen, dass er sich angewöhnt hat, fast jedes Mal, wenn er ins Zimmer kommt, erst einmal seine Sachen zu kontrollieren. Fay hat eine Regel aufgestellt, nach der es in der Bude kein Ausleihen und keine Klauereien gibt, aber er guckt trotzdem immer nach. Auch da wieder wie Fay, denkt Baz, bloß dass er sich nicht ständig über die Schulter umschaut.
    Baz beobachtet Fay eine Weile, um zu sehen, was sie macht, dann beginnt sie ohne Aufforderung zu helfen, nimmt sich ein kleines Messer mit Plastikgriff und bearbeitet die harten Süßkartoffeln.
    Sie drängt Raoul zurück in eine dunkle Ecke ihrer Gedanken. Raoul und seine große Klappe, die müssen eben warten, bis sie und Demi einen klaren Tag erwischen, denn das ist es, was sie laut Lucien brauchen, um raus zum Berg zu kommen, das zu tun, was sie zu tun haben, und wieder zurückzukehren. Möglich ist es jedenfalls, obwohl rundherum Zäune sind und es auch Wächter gibt, aber die sind laut Lucien dazu da, die arbeitenden Kinder am Rauskommen zu hindern, und daher könnte es sein, dass es nicht so schwierig ist hineinzukommen. Keiner hat bisher darüber gesprochen, wie sie wieder herauskommen würden.
    Als sie Lucien fragte, ob es schlimm wäre für Raoul, ein paar Tage oder vielleicht auch etwas länger auf dem Berg zu arbeiten, hat er ihr nicht in die Augen gesehen, hat einfach nur ganz langsam und mit gesenktem Kopf Mamas Eintopf in sich hineingeschaufelt. Das

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