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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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gekommen?«, sagt Demi. »Auch wenn Fay früher vielleicht Ihre Mutter war, heute ist Ihre Familie woanders. Lassense uns doch einfach in Ruhe. Wir kommen auch ohne Sie zurecht. Sag’s ihm, Fay.«
    Fay sagt ihm nichts dergleichen.
    »Ich hab einen Vorschlag zu machen«, sagt Eduardo. »Wenn’s dir nicht passt, kannst du ja gehen.«
    Demi reißt seinen Stuhl zurück und springt auf. »Ich? Was soll das heißen, ich kann gehn? Was läuft denn hier ohne mich?« Er schlägt sich an die Brust. »Wenn ich geh, sind Fays Geschäfte im Eimer.«
    Es riecht förmlich nach Ärger. Baz kennt das, sie hat erlebt, wie Schlägereien von einem Moment zum nächsten ausgebrochen sind, und hinterher hat man nichts als Blut und Blessuren. »Demi!«, sagt Baz scharf und irgendwie wirkt diese Warnung wie ein Spritzer mit Eiswasser. Demi dreht sich abrupt um und verzieht sich maulend in eine Ecke, wo er sich in einen alten Sessel fallen lässt.
    Eduardo lacht. »Hey! Du Möchtegernmacho! Was ist los?«
    Fay zündet sich einen weiteren kleinen Zigarillo an und schwenkt das Streichholz, damit es ausgeht. »Ist gut«, sagt sie. »Das reicht.« Demi macht den Mund auf, aber Fay fällt ihm ins Wort. »Demi, ich will nichts von dir hörn. Kein Wort. Sitz still und hör zu.« Alle von Rum und Wein erzeugte Nachgiebigkeit ist verschwunden. Wenn’s um Geschäfte geht, gewinnt Fay sofort ihren klaren Blick auf die Welt zurück. Zu Eduardo sagt sie, wenn auch viel sanfter: »Keiner ist so gut wie Demi, also hört auf damit, alle beide.«
    Eduardo lächelt Demi zu. »Klar doch. Ich nehm alles zurück. Ich weiß, dass du gut bist und schnell. Sehr schnell.« Er schnippt mit den Fingern. »So schnell, eh?«
    Den um den Tisch versammelten Jungen gefällt das. »Yeah, er is gut«, sagt der lange Giacomo. »Demi is schneller als Miguel, und Miguel is schon ziemlich schnell. Genau, Miguel. Du bist ziemlich schnell, he?« Doch Miguel beteiligt sich nicht an der allgemeinen Beifallsbekundung. Er rückt etwas näher an Eduardo heran, sein Blick ist wachsam, zuckt hin und her, kehrt aber immer wieder zu Fay zurück, so als rechne er mit irgendeiner geheimen Anweisung von ihr. Baz kann die Augen nicht von Eduardos Händen lassen: blass, mit langen Fingern und gepflegten Fingernägeln. Hände, wie sie auch eine vornehme Dame haben könnte.
    »Sag ihnen, warum du hier bist, Eduardo«, sagt Fay. »Danach können wir dann zum Geschäftlichen kommen.«
    »Klar.« Seine Stimme ist entspannt und verständig, geschmeidig wie Butter. »Obwohl ich nicht ganz verstehe, warum du das für nötig hältst. Was ihr hier habt, das ist vielleicht ein bisschen zu viel Gleichberechtigung. Aber was weiß ich schon?«
    »Ja«, sagt Fay. »Du weißt nicht allzu viel über das, was wir hier haben, also tu, worum ich dich bitte. Das hier ist mein Haus und diese Jungs schlagen sich wacker. Also gib ihnen gute Gründe, dir zu trauen ...«
    »Na schön, kein Problem.«
    Baz stellt einen frischen Krug Wasser auf den Tisch. Nachdem Eduardo sich bedient hat, lächelt er ihr zu. Sie bringt auch Demi ein Glas, der mit hochgezogenen Beinen auf seinem Sessel hängt, ein zorniger Schatten in der Ecke. Er nimmt das Wasser, ohne sich zu bedanken, seine ganze Aufmerksamkeit gilt Eduardo, der mit seiner Erzählung begonnen hat.
    »Das Ehepaar, an das Fay mich verkauft hat, wollte einen Jungen, also waren sie glücklich. Haben mir diesen Namen gegeben. Mir gute Manieren beigebracht. Captain Dolucca hält viel von guten Manieren. Auch Achtung und Respekt sind ihm wichtig. So bin ich durch die Schule gekommen. Hab hart gearbeitet. Gute Leistungen gebracht.« Er macht eine Pause. »Aber dann gibt’s eine Veränderung: Meine reizende neue Mutter, die angeblich keine Kinder haben kann, bekommt ein Baby, ein kleines Mädchen. Große Veränderung. Ich bin zehn und plötzlich werde ich unsichtbar, weil sie so sehr mit der kleinen Niña beschäftigt sind. Alle lieben die kleine Niña. Und sie ist schlau. Kriegt es hin, dass alle ihr aus der Hand fressen. Ich bekomm ein bisschen Ärger in der Schule. Nichts Schlimmes. Unbedeutende Sache, aber an diesem Punkt beginnt meine eigentliche Erziehung, denn mein Vater, der Captain, ist sauer auf mich, sehr sauer. Er schlägt mich und nennt mich ›Barrio-Abschaum‹, und ich versteh gar nicht, was er damit meint ... Bis er es mir erklärt, ganz schlicht und ganz genau, sodass ich, obwohl ich erst zehn bin, nie vergessen werde, wer ich in Wirklichkeit bin. Und dann

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