Diebe
erzählt er mir noch, dass meine richtige Mutter ein Mädchen von der Straße war, jemand, dem er helfen wollte, und als sie dann ein Baby bekam, mich, da hat er mich aus Gefälligkeit zu sich genommen, um ihr was Gutes zu tun. Genau das hat er gesagt. Denn dieser Frau hätte das Baby nicht allzu viel bedeutet, solange sie nur Geld dafür bekam.«
Fay haut auf den Tisch. »Der Mann ist so ein Schwein! Das ist alles gelogen.«
»Der Mann ist ein Schwein«, stimmt Eduardo ruhig zu, »aber das hat er mir erzählt. Und dann hat er mir gedroht, hat gesagt, wenn ich nicht brav bin, dann schickt er mich dahin zurück, wo ich hergekommen bin, ins Barrio, zurück zu meiner leiblichen Mutter, denn die ist eine Diebin, eine Königin der Diebe, mit lauter Kindern, denen sie das Stehlen beibringt, bis sie zu einer Plage werden für die Stadt, und«, er hebt entschuldigend die Hände, »er hat noch üblere Dinge über meine Mutter gesagt, sehr viel üblere. Und dann fragt er mich, ob es das ist, was ich will, ins Barrio zurückkehren und ein Dieb werden, denn wenn ich das tue, dann wird er mich schnappen, so wie er auch meine Mutter schnappen wird, und dann steckt er uns beide ins Schloss.« Er lächelt Fay zu.
»Ich sage natürlich, nein, das will ich nicht, aber ich werde zu einem Jungen, der lernt«, fährt Eduardo fort. »Ich beobachte und lausche und ich lerne viele Dinge. Ich sehe, dass dieser Vater, den ich habe, ein wichtiger Mann bei der Polizei geworden ist, aber ich sehe noch mehr. Ich sehe, dass bei uns immer Geld im Haus ist, sehr viel Geld, und dass er immer einen schicken Wagen fährt. Und ständig kriegen wir Besucher, die Aktenkoffer in der Hand haben. Und diese Männer sind keine Polizisten, sondern Geschäftsfreunde, wie mein Vater sie nennt, Freunde, die ihm ständig Geschenke vorbeibringen, immer zum Ende des Monats. Nach diesen Besuchen geht mein Vater jedes Mal in sein Büro und legt alle Umschläge, die er bekommen hat, in seinen Safe. Ich brauche nicht lange, bis ich kapiere, dass mein Vater, dieser gute Mensch, der so viel auf Respekt und gute Manieren hält, dass dieser Mann zusätzlich zu seinem Job als Polizist ein paar kleine Geschäfte laufen hat. Ich bin neugierig und möchte wissen, was er da immer in dem Safe in seinem Arbeitszimmer verstaut. Ich muss lange warten, aber dann gelingt es mir, seinen Safe zu öffnen, und ich sehe, wie viel Geld mein bedeutender Polizistenvater aus all diesen ... Geschenken zusammengesammelt hat. Und da kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht keinen so großen Unterschied macht, ob man ein Polizist ist oder ein Dieb. Tatsächlich finde ich, dass der Dieb ein besseres Leben führt, vor allem ein ehrlicheres.« Er lacht trocken und sarkastisch. »Ich sehe, wie er ist. Ich sehe, wie er seine Frau manchmal behandelt. Ich glaube nicht, dass er in seinem ganzen Leben schon mal etwas Gutes getan hat. Und ich mache mir immer mehr Gedanken über meine richtige Mutter und darüber, was sie wohl veranlasst hat, mich wegzugeben. Und so treffe ich eine Entscheidung: Ich werde aufs College gehen und alles lernen, was ich lernen kann. Ich werde herausfinden, wer meine leibliche Mutter ist. Und ich werde einen Weg finden, diesem Lügner all seine guten Dinge wegzunehmen und sie ihr zu geben. Und das ist es denn, was ich tue. Ich beobachte. Ich lerne. Ich lerne alles über das Barrio und, mithilfe dessen, was er mir bereits über meine Mutter erzählt hat, finde ich hierher. So war das also, und jetzt zeige ich ihr, wie wir zusammen ein gutes Geschäft machen können.«
Fay klatscht in die Hände. »Was sagt man dazu!« Auch den Jungen in der Bude hat die Erzählung gefallen. Vor allem der Gedanke, dass so ein Junge sich von der Polizei abwendet, von den Greifern, die ihnen immer so zusetzen und sie durch die Gegend scheuchen. Sie sehen Eduardo an, als sei er ihr Held.
Baz denkt, dass diese Erzählung mehr verbirgt, als sie enthüllt, aber das kann sie nicht laut sagen, sie kann nur zuhören. Sie schenkt noch etwas Wein nach und stellt sich dann hinter Demis Sessel. Die übrigen Jungen werden nach draußen geschickt, weil Eduardo den Plan besprechen möchte. Es ist ein ganz einfacher Plan. Er hält einen Schlüssel in die Höhe. »Der hier ist für die Alarmanlage. Mein Vater schaltet sie jeden Abend ein. Ich warte, bis er zu Bett gegangen ist. Ich schalte sie wieder aus. Ich öffne ein Fenster. Du kletterst herein. Du spazierst ins Büro.« Er zeigt eine Karte, auf der eine
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