Diebe
Immerhin geht sie mit nach unten, um ihn zu verabschieden.
»Sie ist total vernarrt in diesen Typen«, sagt Demi. »Wie der hier schon reingekommen ist, als würden wir ihm alle bereits gehörn –«. Und dann verstummt er, als Fay zurückkehrt. Sie unterhalten sich noch eine Weile. Baz möchte wissen, wie es denn nun wirklich damals war, als sie ihr Baby weggegeben hat. Sie fragt sich ernsthaft, ob es Fay tatsächlich nicht gekümmert hat, ob sie einzig und allein hinter dem Geld her war. Baz weiß, dass sie hart ist heutzutage, aber damals, als sie noch so jung war, könnte sie da nicht anders gewesen sein? Als Baz sie nun drängt, die Geschichte noch einmal aus ihrer Sicht zu erzählen, winkt Fay jedoch ab. »Genug von dieser Zeit. Lass sie ruhn, Baz. Überleg dir lieber, was wir machen, wenn wir dieses ganze Geld erst haben.« Also sprechen sie noch ein bisschen über den geplanten Raub, beziehungsweise Fay und Demi reden und Baz hört zu, dann aber, nach einer Weile, zieht Fay sich in ihr Zimmer zurück.
Die beiden Jungen kehren zurück und Giacco schaltet gleich wieder den Fernseher ein. Baz zupft Demi am Arm. »Ich geh noch mal raus. Können wir reden?«
»Klar«, sagt er. »Ich komm mit.« Und sie schlüpfen aus der Bude.
Die Nachtluft ist erfüllt von süßlichen Gerüchen aus dem Barrio: Herdfeuer, offene Abflüsse und der ewig gleiche schmierige Gestank des ausgetrockneten Flusses. In weiter Ferne, irgendwo über den Bergen im Norden, züngeln Blitze am Himmel. Das Gewitter ist weitergezogen und mit ihm die Aussicht auf Regen.
»Du hast versprochen, dass wir Raoul suchen.«
Demi steht gegen das Wrack eines alten VW-Käfers gelehnt, der vor langer Zeit hier am Flussufer abgestellt wurde. Im Dämmerlicht des Vollmondes sieht er wie eine große Schildkröte aus.
»Raoul wird noch ’n paar Tage überleben. Es bringt ihm nichts, wenn wir alles wegwerfen. Ist besser, wenn wir erst diese Sache erledigen. Und uns danach um Raoul kümmern.«
Baz will so etwas nicht hören. Sie möchte, dass Demi und sie das Gleiche denken, das Gleiche wollen. Manchmal tun sie das, dann ist sie glücklich; meistens geht Demi seinen eigenen Weg und sie folgt ihm. Diesmal möchte sie, dass er die Sache so sieht wie sie. »Du vergisst zu leicht, Demi. Alles, was du nicht direkt vor der Nase hast, vergisst du. Hast jetzt schon Raoul vergessen.« Die Worte schmecken so bitter in ihrem Mund, dass sie ausspucken möchte.
Er zuckt mit den Schultern. Demi zuckt ständig mit den Schultern, um den Eindruck zu erwecken, dass ihn alles kaltlässt.
Sie dreht sich um und beginnt flussaufwärts zu gehen, auf ihre Ecke zu, von wo aus sie zu dem Rumpf des Lotsenschiffes gelangt.
»Hab ihn nicht vergessen«, sagt er mit halb rufender, halb gedämpfter Stimme. »Aber ich muss erst die andere Sache durchziehen. Das weißt du. Wenn Fay dir sagt, du sollst so was machen, dann tust du’s auch.«
Sie hört ihm gar nicht richtig zu. »Wird immer irgendwas geben, was dich davon abhält, das zu tun, was richtig ist.«
Sie hört seinen gemurmelten Fluch und die Faust, die gegen das Autowrack schlägt. Dann das klatschende Geräusch seiner Füße auf dem festen Schlamm – er läuft ihr nach. Packt sie am Arm. »Wenn irgendwas passiert ... irgendwelche Probleme, wir kommen zu spät und die andern wolln losfahrn – dann sucht sie sich wen anders für den Job. Willst du das? Das ist unsere Chance – hast doch gehört, was sie gesagt hat, Bazzie, komm schon. Denk dran, was es bedeutet, wenn wir das schaffen, wenn wir vielleicht wirklich das große Los ziehen.«
Baz erinnert sich an die Hand, die sie losgelassen hat. »Was ist das große Los, Demi? Was soll so toll daran sein, wenn es bedeutet, dass du jemand, den du magst, einfach im Stich lässt?« Sie schüttelt seinen Arm ab und geht mit schnellen Schritten weiter.
Diesmal folgt er ihr nicht. »Du bist vielleicht ’n Sturkopf!« Dann, als sie nicht antwortet und nicht stehen bleibt, ruft er: »Okay. Okay, ich versprech’s. Ich breche keine Versprechen, das weißt du. Mach mich nicht verrückt, Baz. Wenn diese Sache vorbei is, dann ham wir Geld in der Tasche und alles wird viel leichter.«
»Geh du auf deinen Raubzug mit Fay, Demi. Ich geh Raoul finden. Mach ich’s halt allein.«
»Du bist so stur!«, ruft er. Sie sieht es fast vor sich, wie er mit dem Fuß aufstampft, so wie er’s früher manchmal getan hat, wenn er auf Fay sauer war, weil sie ihn nicht gelassen hat, wie er wollte, noch
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