Diebe
der ist erst in drei Tagen wieder fällig. Daher steigen Baz und Demi am Rand des Barrio in eine Straßenbahn und fahren damit bis zur letzten Haltestelle im zehnten Bezirk, zwei Stationen hinter Basquat. Dann gehen sie zu Fuß weiter.
Bei der Brücke angelangt, lassen sie sich etwas Zeit, um sich umzuschauen. Hier oben trägt der Fluss etwas mehr Leben in sich, dennoch ist er nicht viel mehr als ein seichtes Bächlein, das durch ein viel zu breites Bett strömt. Wenn sie nach Süden Richtung Stadt blickt, kann Baz durch den mittäglichen Staub und Dunst nichts weiter erkennen als schemenhafte Gebäude, wie ein ausgeblichenes Graffito. Es ist die andere Richtung, im Norden und Osten, wo die Hügel und das saubere grüne Land liegen, von denen Baz träumt. Lieber würde sie dorthin fahren, aber ihre Aufgabe ist eine andere. Der Berg liegt auch viel näher, vielleicht nur eine halbe Stunde von ihrem Standort entfernt, falls sie Glück haben und den richtigen Laster erwischen. Sie teilen sich etwas zu trinken und lassen sich nieder, um zu warten.
Jede Menge Lastwagen fahren in diese Richtung. Lastwagen sind sowieso das, was man auf dieser Straße am häufigsten sieht. Polternd und pfeifend zockeln sie über die Schnellstraße und ziehen Staubwolken hinter sich her auf ihrem Weg zu den großen Landwirtschaftsbetrieben. Doch Baz und Demi halten Ausschau nach Mülltransportern oder auch nach den riesigen Kompressor-Lkws; die Stadt unterhält eine ganze Flotte davon, um den Abfall der Reichen platt zu drücken.
»Hat Fay dich gesehen, als du zurückgekommen bist?«
»Hat sie, ja.«
»Hat also doch nicht so gut geklappt, an ihr vorbeizuschleichen?«
Demi verdreht die Augen und wedelt mit der Hand, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Was erwartest du? Sie macht die Augen auf, sie sieht mich ...«
Baz unterbricht ihn. Sie hat gar nicht die Absicht, Demi zu necken, die Blase aufzustechen, in der er die Hälfte der Zeit durch die Gegend spaziert. »Wollte sie wissen, was du und ich machen?«
»Wollte sie, ja.«
»Du hast es ihr gesagt!«
Baz gibt nicht viel von ihren Gefühlen zu erkennen, Fay gegenüber nicht, den anderen gegenüber nicht, aber bei Demi ist es anders, außer wenn sie bei der Arbeit sind. Er kann in ihr ebenso lesen wie sie in ihm. Nur ist es halt so, dass Demis Aufmerksamkeit meistens ganz auf sich selbst gerichtet ist. Diesmal jedoch sieht er, wie ihre Augen sich weiten, und er hört die Sorge in ihrer Stimme. »Hab ihr erzählt, wir würden uns neue Straßen angucken und das Haus checken, das wir unbedingt ausrauben sollen.«
Er tut so, als sei weiter nichts dabei, Fay solche Schwindeleien aufzutischen; es ist aber sehr wohl etwas dabei. Sie erzählen Fay keine Lügen, denn Fay kommt einem immer auf die Schliche. Einige von den Kindern, die zu ihr kommen, lügen, manche versuchen sie zu betrügen. So was passiert immer mal. Und dann müssen sie eben gehen, so wie Paquetito. »Ist niemand sicher, wenn Fay nicht sicher ist.« Das ist es, was sie ihnen immer wieder sagt. »Und wenn ihr Fay irgendwas erzählt, und sie findet heraus, dass es nicht wahr ist, dann fühlt Fay sich nicht mehr sicher.« Sie spricht von sich in der dritten Person, so als wäre dieser strenge und gefährliche Mensch gar nicht sie selbst, sondern jemand, der nur dann aus den dunklen Ecken der Bude hervorkommt, wenn sie von einem der Kinder angelogen wird. »Und wenn Fay sich nicht sicher fühlt, dann ist dies nicht der richtige Ort für euch, und der Schattenmann kann kommen und euch mitnehmen.« Wenn sie solche Sachen sagt, dann klingt ihre Stimme auch nicht so wie ihre normale Stimme, die warm und herzhaft sein kann wie Bohneneintopf, sondern dann klingt sie kalt wie eine Nadel, die sich einem ins Herz bohrt.
Demi hat sich abgewendet. Er wird immer ganz zappelig, wenn Baz ihn länger ansieht, trotzdem studiert sie weiter sein Gesicht, während er die Straße hinunterstarrt und die Staubwolke beobachtet, die das Nahen eines weiteren Lasters ankündigt.
»Was hat sie gesagt, als du ihr erzählt hast, dass du das Haus checken willst?«
»Nichts. War ja das, was sie hörn wollte.«
»Aber sie wird fragen, wenn wir zurückkommen. Also müssen wir wirklich hin und gucken – und wie solln wir das machen, wenn wir hier sind, um Raoul zu suchen?«
»Mach dir nicht in die Hose, Baz. Wir können hinterher noch gucken gehen, ist nicht weiter schwierig. Ich weiß, wie man das Haus findet, das sie im Auge hat, und außerdem war
Weitere Kostenlose Bücher