Diebe
hast doch noch nie ’n Wolf gesehn! Was weißt’n du über Wölfe? Hier in der Stadt gibt’s Hunde, aber keinen Wolf.«
»Engel gibt’s hier auch nicht«, sagt sie, »aber das hält ihn nicht davon ab, einer zu sein.«
Demi ist wieder eine Weile still, dann sagt er: »Fays Junge, ihr eignes Fleisch und Blut, der will irgendwas, was viel, viel mehr ist als das Geld, das wir stehln solln, aber was das ist, das verrät er nicht.«
»Auch Fay nicht?«
»Glaub ich.«
»Hast wahrscheinlich recht.«
Eine Zeit lang sitzen sie schweigend da. Es ist angenehm auf dem Dach, fast so gut wie in Baz’ Versteck. In mancher Hinsicht sogar besser, weil man sich über dem Barrio befindet. Lichter leuchten auf den Straßen, und jetzt, wo sich die Wolken verzogen haben, kann man auch die Sterne sehen. Besser als jedes Fernsehprogramm. Es liegt zwar Wärme in der Luft, aber sie ist nicht so drückend, dass sie einem den Atem nimmt. Außerdem sitzt Demi neben ihr und er ist still.
Sie versucht sich keine Sorgen wegen der bevorstehenden Aktion zu machen. Was auch passieren mag, sie werden zusammen sein und niemand arbeitet besser zusammen als sie beide. Darauf kann sie vertrauen, aber was sie immer wieder zum Grübeln bringt, das ist das, was danach kommt. Trotz all seines Wütens, Fußaufstampfens und Sichaufplusterns ist Demi letzten Endes doch Fays Junge, und Baz hat Angst, dass er nicht bereit sein wird, sie zu verlassen. Und was dann? Sie, Baz, kann nicht bleiben, will nicht bleiben. Bleiben würde bedeuten, dass sie Raoul vergessen müsste, vergessen, wie er am Zaun gestorben ist, nur weil Fay ihn weggegeben hat. Nie wird sie das vergessen. Nie im Leben. Falls Demi nicht mit ihr kommen will, wird sie eben allein gehen.
Sie holt tief Luft. »Demi«, sagt sie, »diese Sache heut Abend ...« Sie bricht ab.
»Keine Panik. Du brauchst heut nicht mitzukommen. Ich werd ihn einfach mal testen.«
»Nein, das mein ich nicht.«
»Baz.« Er dreht sich zu ihr. »Ich brauch dich nicht als Rückendeckung. Heut Abend nicht. Okay? Die Sache heute ist anders. So was ham wir vorher noch nicht gemacht, in ’n fremdes Haus gehen und da rumstöbern wie ’ne Ratte. Das’n Job für Miguel, aber ich kann das auch. Also keine Sorge. Falls Eduardo«, er spricht den Namen aus, als würde er sauer schmecken, »auch nur halbwegs die Wahrheit sagt, kann nichts schiefgehen. Dann ham wir Geld, dass Fay sich Moro vom Leib halten kann. Der Mann ist wie der Teufel oder so was.«
»Fay lässt sich mit ihm ein.«
»Jeder muss sich mal mit dem Teufel einlassen.«
»Wer hat dir das denn erzählt?«
»Niemand. Hab ’n bisschen nachgedacht.«
»Du?«, neckt sie ihn. »Morgen wirste dich beklagen, dass dir der Kopf wehtut.«
Er lacht, sagt aber nichts.
»Demi, wenn diese Sache vorbei ist, gehn wir hier weg, ja?«
»Aus’m Barrio?«
»Ja.«
»Fay sagt das Gleiche.«
»Fay sagt es, aber sie meint es nicht, Demi. Fay steckt hier fest, und jetzt, wo sie glaubt, dass sie ihren Sohn gefunden hat, steckt sie erst recht fest. Aber wir, wir können weg. Wenn wir bleiben, werden wir verschüttgehen. Ich fühl es, Demi. Ich träum davon.«
Demi lacht, wenn auch nicht unfreundlich, und berührt sie am Arm. »Manchmal glaub ich, du hast den ganzen Kopf voll mit Träumen. Warst am Träumen, als ich dich neben dem alten Hund gefunden hab. Jetzt träumste wieder, Baz. Lass morgen morgen sein. Warten wir einfach ab, was passiert.« Er lehnt sich ein bisschen gegen sie, und sie verfallen in ein Schweigen, das so warm ist wie die Nachtluft.
Um zwanzig vor zwei kommt Miguel aufs Dach, um ihnen zu sagen, dass es Zeit zum Aufbruch ist. Es gibt nichts zu organisieren oder einzupacken, allenfalls den Zettel mit der Zahlenkombination für den Safe, aber dennoch macht Fay einen ziemlichen Aufstand. Für einen Moment kommt es Baz so vor, als würde sie sie umarmen und noch mal ordentlich drücken wollen, bevor sie sie gehen lässt, aber dieser Moment, falls es ihn denn überhaupt gegeben hat, ist gleich wieder vergangen, und Fay ergreift einfach nur Demis Hand. »Denkt an die Regel«, sagt sie. »Kommt heil und sicher zurück, aber wenn es nicht sicher ist ...«
»Wissen wir, Fay, dann kommen wir gar nicht zurück. Hat sich nichts geändert, hey.«
»Gute Kinder. Baz, deck ihm den Rücken und ...« Es ist, als wolle sie sie nicht weglassen, jedenfalls jetzt noch nicht. Und noch etwas anderes bewegt sie – Baz kann es an ihrem unruhigen Blick erkennen, und dann
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