Diebe
versucht sich nichts entgehen zu lassen. Doch das hier ist anders. Bei Tageslicht kann man sich verstecken, im Lärm des Verkehrs, im geschäftigen Hin und Her der Leute, man kann auftauchen und verschwinden wie durch Zauberhand. Demi ist darin der Beste, aber sie kann es auch. Hier jedoch hat man Dunkelheit und Schatten, kein Licht. Stille, nur ein Hund ist grad am Heulen, in einer anderen Straße. Ihm antwortet vereinzeltes Bellen aus verschiedenen Häusern in dieser Straße. Sie erstarren. Falls die Doluccas einen Wachhund besitzen, hat er einen soliden Schlaf. Das Bellen legt sich wieder.
Baz atmet durch, schätzt genau ab, wo der Fenstersims ist, federt locker auf den Zehen, nickt den Jungen zu und läuft dann auf sie zu, springt ab und fühlt die Hände unter ihrem rechten Fuß, die sie augenblicklich nach oben katapultieren. Sie packt den Sims mit beiden Händen, nimmt den Schwung mit und turnt geschmeidig durch die Fensteröffnung.
Als sie die Taschenlampe anknipst, hört sie das Auto langsam wegfahren. Die Luft ist kühl. Klimaanlage. Der dünne Lichtstrahl erfasst einen kurzen Korridor, einen seltsam gefleckten Teppich, eine Treppe am Ende und seitlich zwei Türen. Keine Schritte in den Zimmern zu hören, kein Licht, das unter den geschlossenen Türen hindurchscheint. Sie lehnt sich aus dem Fenster, hört Demis leichte Anlaufschritte. Er berührt die Mauer nur kurz mit der Spitze seiner Sneakers, seine Hand klatscht auf ihr Handgelenk, und schon rauscht er durchs Fenster, landet irgendwie auf den Füßen, die Knie gebeugt, auf und ab federnd und den Kopf bereits in alle Richtungen drehend, genau wie sie vorher.
Er streift ihren Arm und sie folgt ihm durch den Korridor und die Treppe hinunter in eine Art Aufenthaltsraum. Es gibt einen Bartresen vor einer der Wände, Lehnsessel, einen runden Tisch. Durch eine Glaswand blickt man hinaus auf den Garten und den Swimmingpool. Das Wasser im Pool schimmert kühl und blau und ist von unten beleuchtet – Baz bleibt fast die Luft weg. So etwas hat sie noch nie gesehen, jedenfalls nicht in der Wirklichkeit, als schäbiges Bild auf dem kleinen Fernseher vielleicht, aber nicht in einem Haus, in dem Menschen ... in dem dieser Eduardo tatsächlich wohnt.
Hinter sich hört sie Demi in Bewegung. »Gib mir Licht, Baz«, flüstert er. Er untersucht einen Kasten, der rechts von der Treppe, über die sie gerade gekommen sind, an der Wand befestigt ist. Die Alarmanlage. Sie lässt den Lichtstrahl über die Schalter streichen. »Okay, ich weiß, wie man das macht. Jetzt zum Safe. Hinter der Bar, hat er gesagt.«
Alles ist genau so, wie Eduardo es ihnen geschildert hat. Der Safe sitzt wie ein klobiger schwarzer Kühlschrank unter dem Bartresen. Die Drehscheibe klickt, während sie die Zahlen von ihrem Zettel eingeben, und dann springt die Tür auf. Vor Überraschung schnauft Demi ein wenig, als er die Türme aus fein säuberlich aufgeschichteten Dollarscheinen sieht. »Wieso sind wir eigentlich Diebe, Baz?«, flüstert er. »Der Polizist hat alles Geld der Welt und keinen, der ihm nachjagt.«
Sie macht den Baumwollsack auf, den sie mitgebracht hat, und beginnt die Geldbündel systematisch aus dem Safe in den Sack zu schaufeln.
»Warum will der Typ all das aufgeben?«, sagt Demi. »Das hier aufgeben und ins Barrio kommen. Glaubst du, das ist deswegen, weil er bei seiner Mutter sein will, bei Fay?«
»Weiß nicht. Vielleicht ist er eifersüchtig. Und sie behandeln ihn nicht so gut.« Ihr selbst, glaubt sie, würde es schwerfallen, den Pool aufzugeben. Sie muss sich immer wieder zu ihm umdrehen, seine samtene Glätte bewundern.
»Nimmst du ihm seine Story ab?«
»Er hat irgendwas vor. Wir bringen das hier jetzt zu Ende, aber du musst anfangen, über das nachzudenken, was ich gesagt hab.« Sie stopft das letzte Bündel in den Sack und zieht ihn zu.
»Was hast’n gesagt?«
»Demi, vorhin auf dem Dach. Ich hab übers Weggehn gesprochen. Fay gibt uns was von diesem Geld ab und wir stelln was Eigenes auf die Beine. Wenn du mit mir mitkommst, schaffen wir das.« Sie hebt den Sack hoch und hält ihn vor der Brust, während Demi die Safetür wieder zumacht und die Scheibe dreht, um sie zu verschließen.
»Gehn wir.« Sie kommen hinter der Bar hervor. Demi tritt zur Alarmanlage. »Dreißig Sekunden ab dem Moment, wo ich die Anlage wieder einschalte, Baz. Geh zum Fenster, gib Miguel’n Zeichen und sag mir, ob Domino wieder dasteht und wartet.« Er blickt auf seine
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