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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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berührt dabei ein Bord, das sich kaum dreißig Zentimeter unter dem Loch an der Innenwand befindet. Sie streicht mit den Fingern daran entlang. Etwas Pelziges wischt an ihrer Hand vorbei, aber sie bewegt sie unbeirrt über das Bord ... Und dann stoßen die Finger an glattes Metall.
    Ein Kasten!
    Sie packt ihn, aber er ist schwer und unhandlich, schlecht mit nur einer Hand zu heben, doch sie beißt die Zähne zusammen, hält ihn, so fest sie kann, und hievt ihn Stück für Stück bis zur Öffnung hoch.
    Die Glocke bimmelt. Kurz zögert sie, dann hebt sie den Kasten rasch aus dem Loch und stellt ihn auf den Boden. Die Kerze in der einen Hand, öffnet sie den Deckel mit der anderen und blickt hinein.
    Fays Schatz.

19
    Baz legt den Kopf auf die Seite und lauscht. Wer auch immer es war, der da eben das Gebäude betreten hat, er muss zu Fay hinaufgegangen sein. Ist allerdings ziemlich früh. Früh für Geschäftliches.
    Sie starrt in den offenen Kasten. Es ist Geld drin, alte Scheine, gebündelt und mit Gummibändern zusammengehalten. Nicht so viel, wie sie bei Dolucca haben mitgehen lassen, bei Weitem nicht, aber ein paar Hundert sind es schon, vielleicht ein ganzes Tausend. Nicht genug, dass Fay sich damit zur Ruhe setzen könnte oder mit ihnen allen in den Norden gehen, wie sie’s versprochen hat. Darüber hinaus gibt es Münzen, Armbanduhren und Kreditkarten sowie einen Vorrat von kleinen versiegelten Plastikbeuteln. Und dann ist da noch der Ring. Er glitzert ihr im Kerzenlicht entgegen. Sie hält ihn in der Hand und denkt an die Frau des Captain in ihrem schicken Kleid, mit ihrem gelben Hut und den vielen Reifen an den Armen. Der Ring war ihr so wichtig. Warum? Hatte sie nicht schon genug davon? Sie erinnert sich an das erste Mal, als sie und Demi ihn ins Licht gehalten haben. Da war es ihnen so vorgekommen, als würde wahrhaftig ein Stück Himmel darin stecken.
    Rasch trifft sie eine Entscheidung. Sie schält zwei Fünfziger aus einem Bündel, faltet sie zu einem kleinen kompakten Viereck, das sie mit dem Ring zusammen in ihre Hosentasche steckt, dann klappt sie den Deckel zu, stellt den Kasten ins Loch zurück und schiebt schließlich den Steinblock wieder an seinen Platz.
    Diebstahl.
    Es ist ein anderes Gefühl, wenn man jemanden bestiehlt, den man kennt. Ein blödes Gefühl. Von dem sie sich allerdings nicht beirren lässt. Behände schlüpft sie die Treppe hoch, wendet sich dann, nachdem sie sich davon überzeugt hat, dass die Luft rein ist, nach links und sprintet über das ausgetrocknete Schlammufer auf die Krümmung des Flusses zu.
    Fünfundzwanzig Minuten später steht sie vor Mama Balis Küche.
    »Was ist los, Kind? Bist wieder in diesem Fluss rumgestapft? Hast überall Schlamm dran. Nein! Du kannst jetzt hier nicht rein«, sagt sie, indem sie Baz aus der Tür und hinaus auf die Treppe scheucht. »Wart ’n Moment.« Kurz darauf kommt sie mit einem Eimer zurück, in dem das Wasser schwappt. »Halt deine Füße da rein. Möchst ’n bisschen Milch?«
    Baz nickt und spritzt sich Wasser über die Füße und die Hosenbeine ihrer Jeans. Sie hätte sich umziehen sollen – ihr T-Shirt ist fleckig und verschwitzt.
    Mama steht da, die Hände auf die dicken Hüften gestemmt, und sieht ihr beim Waschen zu. Baz hat manchmal das Gefühl, dass Mama zu ausladend ist für das Barrio, zu breit für das Gewirr der krummen Gassen. »Hab dich noch nie so zerschunden gesehn, Mädchen. Was ist passiert? Wo is’n der Demi? Ihr zwei seid euch doch gleich wie ein Ei dem andern ... Hab ich was Verkehrtes gesagt?«
    »Nein.« Baz schlüpft mit nassen Füßen wieder in ihre Turnschuhe. Dann strafft sie sich. »Die Polizei hat Demi geschnappt.« Sie bemüht sich um eine feste Stimme, aber es ist schwer. »Ham ihn ins Schloss gebracht, nehm ich an.«
    Mama sagt erst einmal gar nichts, dann seufzt sie. »Und dieser Junge hat gedacht, er kann übers Wasser wandeln ... Komm rein, Baz.« Sie führt sie in die Küche und schiebt ihr einen Stuhl hin. Geht dann hinter den Tresen, um dampfenden Kaffee und heiße Milch in eine Schüssel zu gießen, die sie ihr auf den Tisch stellt.
    Mama lässt sich auf dem Hocker gegenüber von Baz nieder. »Wie viel willst’n erzähln, eh?«
    Baz nimmt einen Schluck, dann erzählt sie von dem Raub und von Dominos Verrat. Sie erzählt ihr von dem Jungen, Fays verlorenem und wiedergefundenem Sohn, dem Raub und dem Verrat und von ihrer Angst, dass jemand Demi umbringen lassen wird. Als sie zu Ende erzählt

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