Diebe
Geld für sich behält. Sie und Demi sind ihm vollkommen gleichgültig ... Wütend starrt Baz ins Telefon, dann fasst sie sich.
Über seine Fragen geht sie hinweg. »Señora Dolucca, bitte.« Sie hat diese Leute reden hören, war in der Nähe, wenn sie Taxifahrern oder Portiers diese oder jene Anweisung gegeben haben. Sie hat ihr vornehmes Getue erlebt und gesehen, wie sie durch die Stadt schweben – nichts berührt sie, niemand hält sie auf. Sie beantwortet seine Fragen nicht. Sie spricht mit fester, kräftiger Stimme, einer Komm-mir-nicht-blöd-Stimme. Niemand, nicht einmal Demi, hat sie je so sprechen hören.
»Worum geht es?«
»Señora Dolucca.«
Es sind Stimmen im Hintergrund zu hören. »Einen Moment.«
Dann kommt eine Frau ans Telefon. »Hallo.«
Baz sieht sie vor sich, immer noch mit dem gelben Hut, den sie getragen hat, als Demi seinen Zauber veranstaltete. Fast kann sie das Klimpern der silbernen Armreifen an ihrem schmalen Handgelenk hören. Ist sie eine kluge Frau oder eher dumm? Baz hält sie nicht für übermäßig klug, wenn sie einen Jungen wie Eduardo aufgezogen hat. Geld hat sie allerdings, diese Frau, hat ein schickes Haus, liebt kostbare Dinge.
»Hallo. Wer ist da?«
»Ich habe was, das Sie haben wollen«, sagt Baz.
»Wie bitte?«
Sie holt tief Luft. »Sie ham nur eine Chance, zu sehn, was es ist. Kommen Sie in die Via Caliossa und gehn Sie in die Bar an der Ecke. Ich finde Sie. Wenn Sie jemand mitbringen, Ihrem Mann, dem Captain, Bescheid sagen, Ihrem Sohn Bescheid sagen ...« Sie macht eine Pause. »... Ihrem Sohn, dem Jungen, den Sie aufgenommen ham, als er noch ’n Baby war. Sie ham jetzt auch eine kleine Tochter ...«
»Halt! Woher wissen Sie das alles?«
Stimmen im Hintergrund.
»Sagen Sie denen, sie solln weggehn. Das hier geht niemanden sonst was an.«
Sie hört Geräusche, die entstehen, wenn ein Telefon vom Sprecher weggehalten, die Sprechmuschel vielleicht noch abgedeckt wird. Die Stimme der Frau ist gedämpft, aber Baz kann hören, was sie sagt. »Nein«, sagt sie. »Gut«, sagt sie.
Baz hält den Hörer umklammert. Sie lauscht sorgfältig. Wenn es jetzt gleich klickt, heißt das, dass noch jemand anders mithört. Aber nein. Nur das Atmen der Frau.
»Hallo. Hallo, sind Sie noch da?«
Das ist schon mal gut. Die Frau ist aufgeschreckt, vielleicht ein bisschen nervös, aber sie hat niemanden herbeigerufen, hat auch nicht aufgelegt. »Wenn Sie sich mit mir treffen wolln, kommen Sie zur Bar Central, in der Via Caliossa. In einer Stunde. Leicht hinzukommen. Sicher. Sie kennen den Laden. Kommen Sie allein und ich geb Ihnen die wertvolle Sache – ich will kein Geld.«
Sie macht eine Pause, hört das Atemgeräusch der Frau am anderen Ende der Leitung. Hinter ihr rauscht der Verkehr. Irgendetwas veranlasst sie zu sagen: »Und ich erzähl Ihnen etwas über Ihre Familie. Etwas, was Sie nicht wissen. Aber Sie müssen allein kommen. Ham Sie mich verstanden, Señora Dolucca? Ich kann sehn, ob Sie allein kommen oder nicht.«
Die Stimme am anderen Ende zögert. Dann: »Wie erkenne ich Sie?«
»Gar nicht, aber ich werd Sie erkennen, Señora Dolucca.« Sie legt auf. Eine Stunde. Okay. Sie muss sich waschen, sich auf dem Markt ein neues Shirt und neue Jeans kaufen. Vor allem aber muss sie sich beeilen und möglichst schnell da sein. Mama Bali hat recht – sie muss sich davon überzeugen, dass der Laden sauber ist, bevor sie sich der Frau zu erkennen gibt. Zu leicht für Señora Dolucca, die Sache ihrem Mann zu stecken. Zu leicht für ihren Mann, ein paar Leute dort zu postieren, ein paar Greifer in unauffälliger Kleidung. Aber das ist kein Problem, solange sie zuerst da ist und jeden unter die Lupe nehmen kann, der hereinkommt. Einen Greifer erkennt sie jederzeit, egal was für Klamotten er trägt, und wenn einer durch die Tür kommt, dann verzieht sie sich eben und macht einen neuen Plan.
Sie schwingt sich auf eine Straßenbahn. Die Via Caliossa liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem Villenviertel und ihrem eigenen Bezirk. Gerade weit genug von Señora Doluccas gewohntem Territorium entfernt, um sie ein bisschen nervös zu machen, aber nicht weit genug, um sie abzuschrecken. Die Bar, die Central, ist eine, die Fay eine Weile lang für ihre Zwecke benutzt hat: Baz und Demi haben so manche lange Stunde damit verbracht, draußen auf sie zu warten. Ein beliebter Treffpunkt, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Baz hofft, dass man ihr keine Schwierigkeiten machen wird.
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