Diebe
sitzen und denkt angestrengt nach. Es geht jetzt darum, schnell zu sein. Je länger die Polizei Demi festhält, desto geringer ist die Chance, ihn je freizubekommen. Fay hat Demi abgeschrieben. Er ist eine Bedrohung. Und für Fay gibt es nur zwei Wege, mit Bedrohungen umzugehen: sie beseitigen oder weglaufen – eine neue Unterkunft finden, in eine andere Stadt ziehen. Weglaufen wird sie nicht, glaubt Baz. Nicht, ohne dieses Geld in die Finger zu bekommen. Mit wem telefoniert sie also gerade? Baz’ Verstand ist so kalt wie der Block, den Demi durchs Barrio getragen hat. Es gibt nur einen Mann, dessen Finger bis in den letzten kleinen Winkel der Stadt reichen, bis ins Schloss selbst, in jede einzelne Zelle hinein. Señor Moro. Es braucht nichts weiter, als dass einer dem anderen etwas zuflüstert und dieser wieder dem nächsten, und Demi wird die Gefahr nicht einmal kommen sehen. Und dann wird er tot sein, genau wie Raoul, und Fay ist in Sicherheit.
Rasch bringt sie den Herd in Gang und setzt frisches Wasser auf, um den Jungen etwas Heißes zu trinken zu machen, während sie weiter fieberhaft nachdenkt. Wenn sie irgendetwas unternehmen will, braucht sie Geld, eine Menge Geld; nur Geld kann Gefängnistüren öffnen. Der Ring! Falls Fay ihn noch nicht an einen Hehler verkauft hat, muss er noch in dem geheimen Versteck im Keller liegen, von dem ihr Demi erzählt hat.
»He, Fay!« Sie klopft an Fays Tür. »Ich geh mal eben zu Mama rüber, Milch besorgen.«
Fay zieht die Tür ihres kleinen Zimmers auf. Sie sitzt auf der Bettkante, das Handy am Ohr. »Bleib nicht so lange weg. Hab ’ne Nachricht, die du für mich überbringen sollst.«
»Will nur Milch holn, vielleicht ’n bisschen Brot.«
»Machste dir auch keine blödsinnigen Gedanken über Demi mehr?«
Baz schüttelt den Kopf.
»Gut. Ich kümmer mich um Demi. Bist mehr wie ich als wie er, Baz. Musst ’n kühlen Kopf behalten.« Fay sieht sie forschend an, erkennt womöglich nur ein Spiegelbild ihrer selbst. Baz erwidert den Blick, doch ihre Augen sind so dunkel und weich, dass sie nichts preisgeben, nicht eine Spur von dem Eis in ihren Gedanken. Als eine Stimme im Telefon erklingt, wedelt Fay mit der Hand und drückt die Tür mit dem Fuß zu.
Taschenlampe. Die von letzter Nacht hat sie nicht mehr. Fay hat noch eine neben der Spüle, aber wenn die weg ist, sieht sie das sofort. Also Streichhölzer. Das Fehlen von Streichhölzern wird ihr nicht auffallen, das eines Kerzenstummels auch nicht. Sie wirft einen Blick auf die Jungen. Die rühren sich nicht. Rasch sammelt sie zusammen, was sie braucht, und verlässt eilig die Bude.
Die Treppe zum Keller des alten Lagerhauses ist eng und steil, der Geruch feucht und eklig. Sie hört das kratzige Gewusel von Ratten und das leise Rascheln von etwas anderem, das sich bewegt. Schlangen vielleicht. Schlangen mögen die dunkle Wärme eines Kellers. Sie zündet die Kerze an und steigt vorsichtig, aber zügig nach unten. Demi hatte echt Nerven, sich hier unten auf die Lauer zu legen, um Fay nachzuspionieren.
Sie hält die Kerze hoch und sucht die Wand zur Rechten ab. Sie ist von Schimmel und Dreck übersät und auch Teile des Originalputzes kleben noch auf den rauen Betonblöcken. Wo, hat er gesagt? In der Ecke. Fay hatte einen Ziegel oder Stein aus der Wand gezogen und dann hineingegriffen, so weit, meinte Demi, dass ihr ganzer Arm darin verschwunden war. Dann hatte sie einen Kasten aus dem Loch zum Vorschein gebracht.
Sie streicht mit beiden Händen über die Wand, sucht eine Stelle, wo ihr nicht gleich jede Menge Dreck an den Fingern kleben bleibt. Sie klopft. Die Wand ist dick, solide. Sie klopft an verschiedenen Stellen, immer wieder. Hält inne. Lauscht sorgsam, das Ohr an die Wand gepresst. Vielleicht. Ja. Sie hält die Kerze hoch, findet den Riss um einen der Halbblöcke und zieht ihn langsam heraus. Da ist ein Spalt zwischen der Innen- und der Außenwand, gut dreißig Zentimeter breit. Sie hält den Atem an und langt nach unten, so weit es irgend geht. Nichts. Fay hat längere Arme als sie. Sie versucht es noch einmal, drückt sich so gewaltsam an die Wand, dass sie sich die Haut an der Schulter aufschürft. Ein frustriertes Stöhnen entfährt ihr, doch sie gibt nicht auf, der Schweiß läuft ihr übers Gesicht. Dann, zu dem Schluss gelangt, dass sie etwas benötigt, mit dem sie noch weiter nach unten stochern kann, oder aber ein Stück Eisen, um die Wand weiter aufzubrechen, zieht sie die Hand zurück und
Weitere Kostenlose Bücher