Diebesgeflüster - Band 3
Ihr hattet uns von Anfang an durchschaut, nicht wahr?«, brachte Samjon nur schwer hervor.
»Na ja, nicht ganz. Eure Verkleidung war zuerst doch sehr überzeugend. Erst als ihr die Weintraube verloren hattet und ich beim Blick gegen die Sonne den gut versteckten Inhalt erkennen konnte, wurde mir bewusst, mit wem ich es zu tun hatte. Außerdem hatte ich beobachtet, wie du deinem Partner in die Rippen gestoßen hast. Eine Bewegung, die mir sehr bekannt vorkam. Trotzdem ein wirklich ausgeklügelter Plan, meinen Respekt.«
»Müssen wir nun in den Kerker?«, fragte Bunlag Samjon. Die Panik in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Samjon nickte nur traurig, hob die Hände hinter seinen Kopf und näherte sich langsam den beiden Bewohnern von Willshire. Bunlag tat es ihm gleich.
»Nehmt uns fest. Wir haben keine Chance gegen die Wachen des Lord Frankis«, stöhnte Samjon.
Der Bäcker und die Schildwache grinsten kurz.
»Oh, wir haben keineswegs die Absicht, euch zu verhaften. Ich komme auch sicher nicht im Auftrag Seiner Lordschaft. Ihr dürft uneingeschränkt weiterziehen. Natürlich vorausgesetzt, ihr nehmt unser Angebot an«, sagte die Schildwache, die ihr Gesicht innerhalb eines kurzen Momentes wieder zu einer eisernen Miene geformt hatte.
Bunlag und Samjon horchten auf. In ihren Augen konnte man die Hoffnung förmlich funkeln sehen.
Rain küsste Bäcker Bacchus auf seine fülligen Lippen. Sie hatte so lange darauf gewartet und nun stand ihnen nichts mehr im Weg. Während sie einige bittere Stellen schmecken konnte, an denen bis jetzt das Mehl aus der Backstube heftete, schien sie vor Freude überzugehen. In ihrer Brust wütete ein Tornado, der sich so wundervoll anfühlte, wenngleich ihr von diesem Gefühl fast schlecht wurde. Die vielen rotierenden Gedanken in Rains Kopf machten sie schwindlig, obwohl sie dachte, dass sie sowieso gerade an nichts denken konnte. Zumindest an nichts außer Bacchus. Leidenschaftlich gab sie sich ihrem gutaussehenden Schwarm hin, ließ sich von ihm mit seinen sanften Küssen auf ihrer warmen Haut verwöhnen. Endlich konnten sie etwas sein. Endlich konnte sie etwas sein.
Es tat gut, sich seinem muskulösen Körper anzuschmiegen und etwas auszuleben, das sie durch ihren militärischen Status schon fast vergessen hatte – die wunderschöne Rolle einer Geliebten. Sie küsste die weichen Lippen des Bäckers mit einer solchen Begierde, die ihn gegen keine Kraft der Welt wieder hergegeben hätte.
Dann blickte sie ihm wieder in die Augen. Diese Augen, die einfach süchtig machten und mit ihrem hellblauen Strahlen schöner funkelten, als alle Diamanten dieses Landes. Schöner als die Diamanten, die sich im Korb neben ihnen befanden. Die Diamanten, die sie von zwei Dieben kassiert hatten, um sie nicht an den Lord zu verraten, den sie bestohlen hatten.
Die Hälfte derer Beute hatten sie verlangt und die Gauner danach aufgefordert, die blau ausgeleuchtete Höhle zu verlassen und das Weite zu suchen. Sie würden mit den restlichen Juwelen noch ausreichend Geld machen, um ein Leben lang nichts mehr stehlen zu müssen.
Das durch den kleinen Wasserfall gebrochene bläuliche Licht tanzte auf den Wänden der Höhle, die Rain und Bacchus am liebsten gar nicht mehr verlassen hätten. Dennoch entschlossen sie sich nach einiger Zeit dazu aufzubrechen. Zwar wusste niemand in Willshire, weder wo sie sich aufhielten, noch in welche Richtung sie gezogen waren. Trotzdem würde ihr Fehlen bald auffallen und wohl auch in Verbindung mit dem Diebstahl gebracht werden.
Rain und Bacchus hatten große Pläne. Mit den Diamanten wollten sie sich nicht nur ihr Leben und ihre Liebe finanzieren und genießen, sondern auch eine Armee aufstellen, um die Ortschaft Willshire aus ihrer tyrannischen Herrschaft zu befreien, die vielen Gefangenen aus dem Kerker zu entlassen und vor ein faires Gericht zu bringen.
»Es ist schon seltsam«, flüsterte die hübsche Rain ihrem geliebten Partner zu, der sie fest in seinen Armen hielt, darauf bedacht, sie nie wieder loszulassen. »Als ich für den Lord als Wache beschäftigt war, fühlte ich mich in dieser schützenden Rolle wie ein Dieb. Das Dorf verwahrloste, die Armen wurden ärmer und der Lord immer reicher. Nun bin ich ein Dieb und fühle mich dennoch wie eine Heilige. Ich denke, dass nicht alle Diebe so schlecht sind, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden, und nicht alle Herrscher in dem Ausmaß für ihr Volk sorgen, welches ihre Macht ermöglichen würde.
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