Diebesgeflüster - Band 3
nun in seinen Thronsaal zurückgekehrt war, um sich auszuruhen. So eine lange Zeit hatte er sich schon eine Ewigkeit nicht mehr bewegt, und nun hatte er alle Energiereserven verbraucht. Sie tropften gerade in Form von dicken Schweißperlen auf das völlig durchnässte Hemd von Lord Frankis. Er warf sich in den Thron und befahl einem Diener schnaubend, ihm etwas zum Essen zu bringen.
Als dieser mit leeren Händen vom großen Buffet neben dem Eingang zur Schatzkammer zurückkehrte, schrie ihn der Lord zornig an: »Was soll das? Wo ist mein Essen?«
»Jemand hat sich am Buffet vergriffen, Mylord. Der Käse ist angebissen und sämtliche Weintrauben fehlen!«, erklärte der zitternde Diener mit einem leisen Krächzen, als sich der Lord nach einigen Momenten wieder aufs Atmen besann.
Der Lord war verdutzt, durfte sich doch niemand ohne seine Erlaubnis an den Speisen auf diesem länglichen Tisch bedienen. Irgendetwas stimmte nicht. Er dachte auch an das Tor zu seiner Burg, das bei seiner Ankunft seltsamerweise nicht verriegelt war, so wie er es seinen Wachen Stunden zuvor befohlen hatte.
Dann traf es ihn wie der Schlag. Sein irritierter Gesichtsausdruck wich einem panischen Anfall von Angst, und er griff unter den Thron, wo seine fettigen Wurstfinger nur ins Leere tapsten.
»Darf ich jetzt?«, fragte der patschnasse Bunlag seinen Gefährten.
»Ja, jetzt darfst du, mein Freund!«, bestätigte Samjon und war ebenfalls heilfroh, das juckende Stroh endlich vom Kopf entfernen zu können.
Er konnte es einfach nicht fassen. Der ganze riskante Plan war aufgegangen! Es war so unglaublich. Er erinnerte sich an eine Situation in seiner Jugend, als er sich genauso gefühlt hatte. Damals war er bei einem Hahnenkampf gewesen, um sein Taschengeld aufzubessern. In der Eröffnungsrunde schickten die Veranstalter, bestehend aus Kleinkriminellen und Bettlern, einen alten und schwachen Hahn in den Ring. Dieser sollte gegen einen jungen Artgenossen, einen kräftigen Gockel, der seine letzten drei Kämpfe unbeschadet überstanden hatte, antreten. Die Runde war nur dazu gedacht, den jüngeren Hahn für den Hauptkampf aufzuwärmen und da keiner mit einem Sieg des alten Tiers rechnete, wurden auch keine Wetten für diesen Kampf entgegen genommen.
Als Samjon jedoch Mitleid mit dem altersschwachen Hahn hatte und ihn lautstark anfeuerte, witterte einer der dubiosen Wettanbieter die Möglichkeit, einem dummen Jugendlichen etwas Geld abzuknöpfen, und bot Samjon an, auf den schwachen Hahn zu wetten. Samjon setzte sein ganzes Taschengeld und einige Münzen, die er bereits in diesem jungen Alter durch Taschendiebstahl in seinen Besitz gebracht hatte.
Am Ende lag tatsächlich der junge Gockel tot im Sand und alle Zuschauer machten große Augen. Der verärgerte Verlierer weigerte sich zuerst, dem Jungen den achtfachen Einsatz zu bezahlen, musste dann aber dem Druck der restlichen Anwesenden nachgeben, die wenigstens bei Jugendlichen noch eine Spur von Anstand und Gerechtigkeit empfanden.
Nun fühlte sich Samjon genau wie damals. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt. Auf eine äußerst riskante und unwahrscheinliche Karte. Und genauso wie beim schwachen Hahn damals – der sich totgestellt hatte und nach dieser List seinen jüngeren Artgenossen besiegen konnte – hatte er auch dieses Mal das Glück auf seiner Seite. Durch einen Trick konnten sie aus der Gefangenschaft in Willshire fliehen. Und noch besser: Sie hatten die Diamanten!
Samjon schüttelte seine wasserdurchtränkten Haare. Der Wasserfall hatte sie so genässt, dass einige Strohhalme nicht so einfach zu entfernen waren. Zum Glück hatte ihnen die Schildwache den Tipp mit der Höhle gegeben. Hier waren sie wirklich sicher, falls der Lord auch noch Wachen ausreiten lassen würde und diese tatsächlich die selbe Route nehmen würden wie Bunlag und Samjon. Bis zu diesem Weg nach Alberbrook hatte sich die Straße bereits fünfmal gespalten, sodass nun ein halber Tagemarsch Vorsprung und etliche Abzweigungen für ihre Sicherheit garantierten.
Ärgerlicherweise hatte Bunlag der attraktiven Schildwache ihr Reiseziel verraten, noch bevor er es mit einem kräftigen Ellbogenstoß verhindern konnte. Da diese aber auf ihre gute Verkleidung, die Haare aus Stroh und ihre Geschichte mit dem Traubenhandel hereingefallen war, hatten sie, selbst wenn die Schildwache ihren Fehler im Verlauf des Tages bemerken sollte, genug Vorsprung, um nach einer Pause in dieser Höhle nach Alberbrook zu reisen und dort
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